Kastelorizo, eine griechische Perle in der südlichen Ägäis

Wir befinden uns auf dem Flughafen von Rhodos. Vor uns steht unser heutiges Transportmittel: eine Dash 8-100 von Olympic Air. Pünktlich geht es los und wir überfliegen die Insel Rhodos in Richtung Südosten.

Es sind noch keine 30 Minuten seit dem Start in Rhodos vergangen, da werden Fahrwerk und Landeklappen bereits wieder ausgefahren. Unsere Dash 8-100 von Olympic Air mit Kennung SX-BIR befindet sich im Landeanflug auf den Flughafen Kastelorizo auf der gleichnamigen griechischen Insel. Diese gehört zur Inselgruppe Dodekanes und stellt den östlichsten Rand Griechenlands dar. Die türkische Stadt Kaş ist nur fünf Kilometer von Kastelorizo entfernt, die kürzeste Entfernung zum türkischen Festland beträgt sogar nur gute zwei Kilometer.

Spätestens als die kleine Dash, welche 1993 gebaut wurde, in den Endanflug auf RWY 31 eindreht, wird den Passagieren klar, dass es sich bei Kastelorizo um keinen gewöhnlichen Flughafen handelt. Die Insel besteht überwiegend aus Bergen. Für die Landebahn, welche sich in einer Höhe von 488ft über dem Meer in der Inselmitte befindet, mussten zahlreiche Hügel und Felsen abgetragen bzw. gesprengt werden. Lang ist sie nicht, lediglich 798x25m misst sie. Doch für unsere Dash ausreichend. Außerdem befinden sich heute nur 11 Passagiere an Bord.

Um 10.18 Uhr, nach 29 Minuten Flugzeit, berühren die Räder von Flug OA096 den Boden. Schnell ist abgebremst, aber für den Backtrack muss bis zum Wendeplatz am Ende der Bahn gerollt werden.

Nicht nur auf der Landebahn, sondern auch auf dem Vorfeld geht es eng zu. Auch dieses musste aus dem Fels herausgesprengt werden. Neben unserer Dash wäre noch Platz für drei Privatmaschinen, dann ist das Vorfeld maximal belegt. Aber meistens kommt nur die kleine Dash von Olympic Air. Im Sommer verbindet sie die kleine Insel mit Rhodos sechs Mal pro Woche, im Winter vier Mal. Geflogen wird immer vormittags. Donnerstags ist der Flughafen Sommer wie Winter geschlossen. Militär-, Business- und Privatflugzeuge müssen aufgrund der Enge auf dem Vorfeld für jede Landung eine vorhergehende Genehmigung einholen.

Es gibt sogar ein Terminal in Kastelorizo. Dieses misst zwar nur 150qm, aber erfüllt seinen Zweck. Wenn die Dash mal voll ist, kann es schon eng werden. Allerdings bevorzugen es die meisten Passagiere sowieso, im Freien zu warten. Laut Hellenic Civil Aviation Authority (HCAA) wurden 2018 422 Flüge und 5482 Passagiere in KZS, so der IATA-Code des kleinen Flughafens, abgefertigt. Dazu kommen zwei Tonnen Fracht. Im ersten Halbjahr 2019 wurde das stärkste Passagierwachstum seit der Eröffnung 1986 verzeichnet.

Im aktuellen Jahr 2020 ist dies aufgrund COVID-19 jedoch wieder rückläufig. Allerdings hat es die Griechen mit dem Virus nicht allzu schlimm erwischt. Die Tourismusbranche beklagt lediglich, dass zweieinhalb Monate der Sommer- und damit Hauptsaison durch ausbleibende Touristen verloren sind. Seit Mitte Juli Reisen wieder möglich sind, wären die Besucherzahlen zwar nicht perfekt, aber akzeptabel.

Gut 25 Minuten nach der Landung startet die Dash ihre Motoren wieder für den Rückflug nach Rhodos. Sobald nach dem Start der Lärm der Propeller verstummt ist, wird es wieder still in Kastelorizo. Weder Vögel, noch sonstige Geräusche sind zu hören. Fast schon eine gespenstische Atmosphäre.

Das Flughafenpersonal packt zusammen und verlässt den Airport. Die Zufahrtstore werden geschlossen. Der letzte, der das Areal auf seinem Motorrad verlässt, ist der Feuerwehrmann. Geschäftig wird es erst wieder am nächsten Morgen werden.

Da der kostenlose Shuttlebus hinunter in die Stadt längst abgefahren ist, gehe ich die zweieinhalb Kilometer zu Fuß. Zahlreiche Bunker und Schießscharten auf dem Weg hinunter erinnern einen daran, dass die Insel nur wenige Kilometer von der Türkei entfernt ist. Ein Pulverfass, das aktuell negative Schlagzeilen macht. Die Türkei möchte Erdgasvorkommen im Meeresgrund auf griechischem Territorium erschließen, was natürlich auf Unverständnis bei den Griechen stößt. Ab und zu kommt es zu kurzen Luftkämpfen zwischen griechischen und türkischen Kampfjets über der Insel, die aber in der Regel nur wenige Minuten dauern. Für die Bewohner der Insel schon fast Alltag. Allerdings schreckt das zunehmend die Touristen, die dann lieber wo anders hinfliegen.

Schon auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt stellt der Besucher fest, dass er gerade eine Perle unter den Inseln der Ägäis betreten hat. Von einem Hügel direkt vor der Stadt hat man einen wunderbaren Panoramablick auf die Bucht, die schönen bunten Häuser und die Berge der Türkei im Hintergrund.

Die Uferpromenade lädt mit zahlreichen Restaurants und Bars zum Flanieren und Entspannen ein. Während man auf sein Essen wartet, kann man zahlreiche große Meeresschildkröten im Wasser beobachten. Die Tiere zeigen keine Scheu und schwimmen gemächlich an den staunenen Touristen vorbei.

Der Saint George Beach auf einer kleinen vorgelagerten Insel ist der schönste Felsenstrand des Areals. Das Wasser ist glasklar und jetzt im September badewannanwarm.

Eine der Hauptattraktionen ist die Blaue Grotte im Südosten der Insel. Durch einen kleinen bei Ebbe lediglich etwa einen Meter hohen Eingang gelangt man ins Innere einer großen Höhle, dessen Wasser aufgrund des einfallenden Sonnenlichts hellblau leuchtet.

Bereits am nächsten Tag heißt es wieder Abschied nehmen von Kastelorizo. Überpünktlich landet die Dash 8-100 um 07.20 Uhr aus Rhodos kommend. Da lediglich zwei Passagiere an Bord sind, reichen ihr 400m zum bremsen und sie rollt ohne Backtrack direkt aufs Vorfeld ab.

Für den Rückflug nach Rhodos sind 20 Passagiere gebucht. Ebenfalls überpünktlich rollen wir um 07.57 Uhr auf die RWY 31 zum Start. Die Propeller spulen auf volle Leistung hoch, ehe die Bremsen gelöst werden. Standardverfahren bei kurzen Pisten. Heute benötigen wir etwa drei Viertel der Startbahn. Wenige Sekunden nach dem Abheben passieren wir das Ende der Bahn. Gleich danach fällt das Gelände 150m steil nach unten zum Meer ab. Fast wie ein Start auf einem Flugzeugträger.

Die Flugzeit beträgt nur 27 Minuten, bis wir wieder festen Boden unter den Füßen haben. Mit der Landung in Rhodos ist der Arbeitstag der Dash und der beiden Piloten auch schon wieder beendet. Andere Strecken werden mit dieser Maschine von Rhodos aus nicht bedient. Den Rest des Tages wird sie auf ihrer Außenparkposition auf dem Vorfeld verbringen, bis es am nächsten Morgen wieder heißt: „Flight OA096 is ready for boarding!“