Bolzano, Trento, Lago di Garda – mit dem UL nach Italien

Als wir gegen 08.30 Lokalzeit in den klaren blauen Himmel steigen, wird es schnell deutlich wärmer im Cockpit. Über Nacht hat sich eine kräftige Bodeninversion gebildet. Fast gleichzeitig öffnen Joe, mein heutiger Mitflieger, und ich die Fenster.

Nach dem Verlassen unseres Heimatflugplatzes Ampfing (EDNA) melde ich mich bei Langen Information an, um unseren bereits am Vorabend aufgegebenen Flugplan öffnen zu lassen. Gleich nach dem Einleitungsanruf funkt der Lotse stolz und schon fast siegessicher zurück: „D-MFSM, es geht nach Bologna!?“ Ich: „Fast, Bolzano!“ Er: „Ach, immer diese ausländischen Flugplätze, kann ich mir nie merken…!“

Unser erster Kurs führt uns von Ampfing ins Inntal. Auf der Inntalautobahn wie so oft Blockabfertigung. Kilometerlang stauen sich die Lkws und Pkws. Wir sind froh, mit dem Flugzeug in der Luft zu sein. Dann geht es weiter nach Innsbruck. Die Berge sind einfach wunderbar und wir betrachten es als Privileg, unsere Heimatbasis hier im Süden Bayerns zu haben. Auf dem Funk von Innsbruck TWR geht es locker zu. Ein Tiroler Pilot scherzt mit dem Turm und ein dritter Pilot mischt sich ein. Da müssen Joe und ich richtig lachen.

Ein paar Minuten vor Innsbruck werden wir von Innsbruck TWR angewiesen auf FL70 zu steigen. Denn die Berge südlich des Wegpunktes Sierra, welcher über der Mautstation der Brennerautobahn liegt, ragen bis über 5000ft hinauf.

Es ist mein zweites Mal, dass ich durch das Brennertal fliege. Das erste Mal war ich vor einigen Jahren etwas blauäugig direkt nach dem Abzug einer Schlechtwetterfront losgeflogen. Quittiert wurde dies mit teils starken Turbulenzen. Heute klappt es viel besser. Der Wetterbericht hat nur leichten Wind für den gesamten Alpenraum vorhergesagt und nur ab und zu wackelt es leicht, als wir die engste und höchste Stelle des Brennertals über der Ortschaft Brenner überfliegen. Bis zum Meldepunkt BR (Brenner) bleibe ich auf der Frequenz von Innsbruck Tower, dann darf ich umschalten auf Padova Information. Doch meine Anrufe bleiben unbeantwortet. Auf unserer Flughöhe schirmen die Berge jegliche Funkwellen ab und erlauben keine Kommunikation. Doch auch auf FL100 ist keine Kommunikation möglich, wie mir ein Fliegerfreund berichtet hat, welcher die gleiche Strecke in höheren Bereichen abgeflogen ist. So fliegen wir eben ohne FIS weiter. Durch unseren aufgegebenen Flugplan sollte jeder Bescheid wissen.

Dann geht es weiter nach Brixen. Dort gibt es einen kleinen UL-Flugplatz, der in keiner Karte verzeichnet ist. Der Eigentümer hat uns erlaubt, ein Touch and Go zu machen. Gut, dass ich ausgedruckte Satellitenbilder dabei habe, denn der kleine Platz ist gar nicht so leicht zu finden. Um die Piste zu treffen, muss ich etwas weiter ausholen. Den Anflug auf die 230m kurze Piste muss ich steiler gestalten, denn unmittelbar vor der Grasbahn stehen noch höhere Bäume. Da es mittlerweile am Boden schon etwas bockig geworden ist und auch am Ende der Piste Bäume einen gerade Abflug verhindern, ziehe ich die Maschine gleich wieder nach oben. Die Steigleistung ist aufgrund der hohen Außentemperaturen von 30°C dementsprechend schlecht. Ich muss mir einen hindernisfreien Weg durchs hügelige Gelände suchen, um gefahrlos steigen zu können. Kurze Zeit später sind wir wieder über der Brennerautobahn A22 in sicherer Höhe.

Diese kennen wir bestens von vielen Urlaubsfahrten in den Süden. Aber aus der Luft ist die Strecke eine völlig neue Erfahrung. Von unserer Flughöhe unter 4000ft haben wir einen deutlich besseren Weitblick als vom Talboden aus. Immer wieder entdecken wir schöne Burgen an den z.T. stark zugebauten Berghängen. Auf unserer linken Seite können wir bis in die Berge der Dolomiten hineinblicken.

Dann wird es langsam ernst. Der Meldepunkt E1 (Castelletto) liegt unmittelbar vor uns. Ich rufe Bolzano Tower. Ab hier ist der Funkkontakt möglich, vorher haben wieder die Berge die Kommunikation verhindert. Mit „D-MFSM, Bolzano, buon giorno!“ werden wir begrüßt. Man hat uns schon erwartet und als nächstes sollen wir uns über der Stadt melden. Da über dieser aber das Sperrgebiet P79 von GND bis 1500AGL liegt, frage ich nach, ob wir dieses nördlich oder südlich umfliegen sollen. Da kein weiterer Verkehr im An- oder Abflug ist, dürfen wir selbst entscheiden. Also nördlich herum, das passt besser für den Endanflug auf die RWY 19.

„D-MFSM, wind 210 degrees 3kts, RWY 19 is free!“ Der Flughafen ist zwar groß, hat aber keine Kontrollzone. Man bekommt also keine Landefreigabe. Aber gefunkt wird so, als ob er eine hätte. Sehr professionell!

Nach etwa eineinhalb Stunden setzen wir auf Südtirols Regionalflughafen (LIPB/BZO) auf. Mit 1432x40m ist die betonierte Bahn mehr als ausreichend für unseren Breezer. Auch die Flugplatzhöhe stellt kein Problem dar, sie beträgt lediglich 787ft. Zunächst Backtrack, dann verlassen wir die Bahn über Rollweg B. Am Vorfeld vor dem Terminal parken drei Sky Alps Dash 8-400. Eine davon wird gerade für einen Linienflug fertig gemacht. Bolzano ist die Basis dieser relativ neuen Airline.

Wir parken auf Gras. Ob dies für uns möglich wäre war auch die erste Frage, die mir gestellt wurde, als ich Bolzano telefonisch kontaktiert hatte. Auf Gras kostet die Abstellung nichts, zumindest für unseren kurzen Aufenthalt, und es bedarf keinerlei Planung bzgl. Parkposition.

Jetzt um 10.30 Uhr hat es schon 30°C. Das ausgebrannte Gras verrät, dass hier in letzter Zeit nicht viel Regen gefallen ist. Zu Fuß gehen wir zum Gebäude, auf dem das schwarze „C“ auf gelbem Hintergrund zu sehen ist. Doch die Türen sind versperrt. Lediglich ein Briefingraum ist offen. Joe und ich stehen etwas ratlos da. Ich greife zum Telefon und frage bei der netten Dame nach, mit der ich schon kurz vor dem Abflug telefoniert hatte. Nach meiner Beschreibung unseres Standortes fragt sie mich doch tatsächlich, ob wir sicher auf dem Bolzano Airport seien, denn sie könne sich gerade nicht vorstellen wo wir wären. Jedenfalls müssten wir zum großen Terminal mit der Glasfassade kommen. Dort befinde sich das General Aviation Bureau. Ah ja, also dann zum großen Passagierterminal.

Dort erwarten uns vier aufreizende freundliche Damen. Die Ausstellung der Rechnung für die Landegebühr erweist sich als etwas komplizierter. Auf zwei Formularen müssen wir sämtliche Daten unserer Maschine, des Halters und von uns selbst angeben. Ganz wichtig auch die Steuernummer. Ohne diese könne keine Rechnung ausgestellt werden. Es dauert gute zehn Minuten, dann ist die Rechnung fertig. 22€ für ein 600kg-UL. Das ist ganz OK.

Da Joe und ich noch mehr Programm vor uns haben, begeben wir uns wieder zurück zum Breezer. Außer uns nutzt noch eine Bell AB-412 der Guardia di Finanza den Flughafen für mehrere Landeübungen.

Um 11.30 Uhr heißt es: „D-MFSM, wind 180 degrees 4kts, RWY 19 is free!“

Joe schiebt den Gashebel nach vorne und nach kurzer Startrollstrecke heben wir ab. Die Italiener wollen immer frühzeitig wissen, in welcher Höhe man gewisse Punkte überfliegen wird. Schon am Boden beim Anlassen wird man dazu befragt, aber auch später während des Fluges.

Nach dem Start folgen wir weiter der A22 in Richung Süden.

Kurz nach Rovereto biegen wir nach Westen zum Gardasee ab. Diesen überfliegen wir nun in fast voller Länge von Nord nach Süd. Erneut erleben wir völlig andere Eindrücke des riesigen Sees im Vergleich zu einer Autofahrt entlang des Ufers. Das Panorama mit den steil aufragenden Bergen und dem blau-türkisen Wasser erinnert an einen Fjord in Norwegen. Bislang war mir gar nicht bewusst, dass es so viele Häuser und Dörfer hoch über dem See an den Berghängen gibt. Am Ufer immer wieder schöne alte Dörfer.

Gut 15min fliegen wir in 3800ft über Wasser, bis wir dann auf Höhe Salò wieder Land unter der Fläche haben.

Von hier aus können wir sogar den Flughafen von Brescia und Ghedi in der Ferne ausfindig machen. Knapp am Rand von deren Kontrollzone, etwa 6km südwestlich des Gardasees, liegt unser nächstes Ziel: der private Flugplatz Corry‘s o Bravo Co‘ (BS07). Am Vorabend bei der Planung hatte ich diesen Platz entdeckt und sogar kurz vor Mitternacht noch WhatsApp-Kontakt mit dem Eigentümer herstellen können. Wir dürfen für ein Touch and Go vorbeikommen. Die Grasbah hier ist 400m lang. Normalerweise wird auf der 32 gelandet und auf der 14 gestartet. Doch ich möchte aus Zeitgründen nur ein Touch and Go machen. Da es keine Platzrunde gibt, teile ich mir meinen Anflug selbst ein. Kurz vor dem Aufsetzen bemerke ich allerdings, dass ziemlich viele Steine und Staub auf der Bahn liegen. Da ich wegen einer hohen Stromleitung direkt hinter der Piste (daher der Start immer auf der 14) sowieso nur kurz den Boden berühren wollte und das ganz am Anfang der Piste, schiebe ich sehr schnell wieder Vollgas rein. Dann sofort die Rechtskurve, weg von der Stromleitung.

Nur 5km östlich von Corry‘s o Bravo Co‘ liegt der nächste Flugplatz, den wir anfliegen wollen: Silivo Scaroni (BS16). Dieser bietet eine 675x30m lange Grasbahn. Landegebühren sind hier unbekannt, ebenso gibt es kein PPR. Jeder kann jederzeit kommen. Daher entschließen wir uns für ein schnelles Touch and Go, um Zeit zu sparen. Zunächst überfliege ich den Platz mittig und checke die Konditionen. Da Seitenwind herrscht, entscheide ich mich für die Piste 04. Der Anflug ist hindernisfrei, eine offizielle Platzrunde gibt es nicht. Da das Gras der Piste total ausgedörrt ist und dadurch etwas Staub und Steine herumliegen, berühre ich nur kurz den Boden mit unseren Rädern, dann ziehe ich den Breezer wieder nach oben.

Nur etwa 920m Luftlinie trennen den Flugplatz Silvio Scaroni vom direkt daneben liegenden Flugplatz Luciano Sorlini (BS17). Dessen Landebahn hat die Ausrichtung 15/33. Da bietet sich beim heutigen Südwestwind eine Landung auf der 15 an. Ich beende daher meinen Steigflug aus Silvio Scaroni heraus nur kurze Zeit nach dem Abheben, drehe etwas mehr als 90° nach rechts und befinde mich schon im Endanflug auf die Piste 15 von Luciano Sorlini. Da beide Flugplätze die gleiche Funkfrequenz (130.00) benutzen, hat man zumindest am Funk kaum Stress bei einem solchen Maneuver. Nur eine gute Minute nach dem Touch and Go sind wir nun endgültig gelandet.

Mit 700x30m ist die Landebahn wieder mal mehr als ausreichend für uns. Der Abrollweg befindet sich ganz am Ende der 15, daher führe ich eine lange Landung durch. Wie auch in Silvio Scaroni gibt es hier keinen einzigen grünen Grashalm. Alles ausgebrannte Steppenlandschaft, Zeugen der extremen Dürre und Hitze dieses Jahr in Italien.

Neben Olivenbäumen stellen wir unsere Maschine ab. Am Platz sehen wir zunächst niemanden, irgendwann mal geht ein anderer Pilot von einem Hangar zum nächsten und winkt uns zu. Da auch hier am Platz kein PPR notwendig ist, ganz zu schweigen von einer Landegebühr, und jeder kommen und gehen darf wie er will, schenkt man uns Gästen kaum Aufmerksamkeit. Würden wir allerdings etwas benötigen, würde man uns sicher helfen, wie mein Fliegerfreund Lucas berichtet hat. Auch er war hier vor einigen Wochen mit seinem Breezer gelandet und wurde von den hiesigen Piloten beim Tanken hervorragend unterstützt.

Im topmodernen Hangar parken einige Flugzeuge, ULs wie E-Klasse, und sogar Oldtimer.

Nach kurzer Pause wollen wir wieder weiter. Ich gebe noch schnell unseren Flugplan für die spätere Strecke Trento – Ampfing auf, um den Lotsen genügend Zeit zum Bearbeiten zu geben. Dann rollen wir zur Piste 33. Der Wind weht nun seitlich zu Bahn, nur ab und zu ganz leicht von seitlich hinten. Das passt für uns. Trotz der heißen 34°C beschleunigt und steigt unser Breezer gut.

Der Rückflug führt uns wieder über den Gardasee und Rovereto. 30min sind vergangen, als wir uns im Anflug auf den Flugplatz Trento/Mattarello (LIDT) befinden. Der Wind hat nun deutlich aufgefrischt und der freundliche Turm weist uns die Piste 18 zu. Der Gegenanflug führt ziemlich eng um die 1130m lange asphaltierte Piste herum. Das Englisch des Flugleiters ist perfekt.

Für uns geht es nach der Landung direkt zur Tankstelle. Hier gibt es AVGAS und Super. Letzteres zu einem Preis von 2,20€/l. Die einzige Schikane ist, dass meine Kreditkarte nicht akzeptiert wird. Aber zumindest nimmt der Automat auch Scheine.

Am Platz herrscht viel Heliverkehr, sonst ist es bei unserem Besuch eher ruhig. Der Turm ist besetzt mit drei jungen kompetenten Leuten, unsere Landung schlägt mit 23€ zu Buche. Im Abfertigungsgebäude bedienen wir uns noch am Snackautomaten, dann gehts auch schon wieder ins Cockpit, denn mit dem Flugplan zurück nach Deutschland habe ich knapp kalkuliert.

Um 14.40 Uhr starten wir wieder auf Piste 18.

Unser Plan ist, sie viel Höhe wie möglich aufzubauen, um oberhalb möglicher Turbulenzen oder Winde, die sich im Lauf des Tages aufgebaut haben könnten, zu fliegen. Angesichts der hohen Temperaturen um die 35°C kann ich mir allerdings nicht vorstellen, FL100 zu schaffen. Etwa bei Bolzano übersteigen wir FL070, wir müssen die Täler nun nicht mehr ausfliegen sondern können auch mal abkürzen.

Aus dieser Flughöhe kann man die schroffen Berge der Dolomiten inklusive des Marmolada-Gletschers noch besser bewundern. Angekommen bei FL85 ist dann allerdings Schluss. Mehr geht heute nicht. Die Öltemperatur hat sich wieder normalisiert, nachdem sie im permanenten Steigflug bei den sommerlichen Temperaturen doch am oberen Limit war.

Ich probiere es noch einmal bei Padova Information am Funk, nachdem wir Bolzano hinter uns gelassen haben, doch auch diesmal kommt wegen der Abschattung keine Kommunikation zustande.

Im Gegensatz dazu hat Innsbruck Radar besten Empfang. So melde ich mich eben dort schon auf Höhe Brixen an. Auf FL85 bleibt die Luft heute bis auf kurze wenige Momente ruhig, auch über dem Brenner.

Da wir FL90 oder mehr nicht schaffen, können wir auch nicht die Inntalkette des Karwendelgebirges im Norden von Innsbruck auf einem Direktkurs nach Ampfing überfliegen. Stattdessen folgen wir wie im Flugplan angegeben dem Inntal nach Osten bis Kufstein. Dann lassen wir die Bergwelt hinter uns. Nach knapp zwei Flugstunden sind wir wieder zurück auf unserem Heimatflugplatz Ampfing. Wir sind froh, dass die Tour so gut geklappt hat und sind uns sicher, dass es bald wieder in Richtung Berge und Italien gehen wird.