Ukraine Teil 4

Hier folgt die Fortsetzung der Ost Europa Exkursion von 2016.

Dazu gibt es auch weder einige Anregungen und wissenswerte Überlebenstips für diese Regionen.

Um mal wieder etwas Abwechslung in die Route zu bekommen ist dieses Jahr ein Abstecher über Weissrussland mit eingeplant. Für einen Besuch in dieses Land benötigt der deutsche Staatsbürger ein Visum. Dieses wurde für mich und Kind nach umfangreicher Planung und Recherche bei der Botschaft in München zwei Monate im Voraus ausgestellt. Hierfür braucht man ein Passbild, eine Auslandskrankenversicherung und einige Formulare. Für Kinder umsonst, bezahlte ich 60 Euro. Alles abgeliefert, fehlt natürlich immer noch etwas zum Schluss. Hätte man uns ja auch mal eher sagen können, aber das wäre ja dann wieder zu einfach. Wir sollen jetzt verkünden wo wir an den Tagen zu finden sind, sprich in welchen Hotels wir übernachten werden.

Bin ich doch lieber ein spontan reisender und munterer Vagabund, muss ich für dieses autoritäre geführte Land alles exakt auf den Tag planen. Bei der Internetseite booking.com schnell die drei Städte reingeballert, welche ich mir für Lohnenswerte Ziele ausgesucht habe. Exakt aufs Datum muss es passen.  Ein Hotel, ein Hostel und ein Appartement werden für die drei Nächte reserviert. Diese Infos sendete ich nachträglich per Email an den hilfsbereiten Herrn Konsul, und ein paar Tage später waren die Reisepässe dann abholbereit fertig. Fazit, man merkt schon die Freundlichkeit der Weissrussen, aber auch die penible Genauigkeit, welche später noch zu Problemen führen sollte.

2 Wochen vor Ferienende mache ich mich also wieder auf die Reise per Flugzeug nach Kiew, um dann die ganze Strecke anschliessend mit dem Auto wieder heim zu fahren. Pünktlich zum 1. September bin ich wieder im ukrainischen Dorf angelangt. Das ist auch jährlich der erste Schultag für alle Klassen im ganzen Land. Dieser beginnt immer um 9:00 Uhr mit einer kleinen Zeremonie für die Erstklässler. Natürlich wird hier die Nationalhymne vom Band gespielt. Ein wirklich sehr schönes Ritual, und die meisten Kinder werden zu diesem Anlass auch in die traditionellen Schuluniform Kostüme gesteckt. Besonders die Mädchen sehen ziemlich lustig aus, mit ihren Micky Maus Schleifchen im Haar. Noch einen weiteren Tag verbringen wir im Dorf

bevor nun die lange und ungewisse Abenteuerrückreise bevorsteht. Schnell noch mal was Hämmern und Schrauben für die Schwiegermutter, bevor der geschickte deutsche Handwerker Mann wieder entschwunden ist.

Richt Euch ! Einige ABC Schützen stehen brav Spalier.

Nur sechs Erstklässler dies Jahr, stehend auf dem Präsentierteller mit fragenden Blicken.  2ter von rechts denkt, „Ich bin ein Star, holt mich hier raus.“!

Der Unterrichtsraum der 1 Klasse. Anfangs gibt’s eine Einweisung der Lehrerin an die Eltern, welche dann auch gleich mal das Kopiergeld in cash abdrücken dürfen.

Nächtlicher Sternenhimmel auf dem Land ohne Lichtverschmutzung einer Grossstadt. Leider nicht ganz so scharf, aber man kann sich´s ungefähr vorstellen wie gut man im Nirgendwo das Weltall sieht.

Ungefähr 2600 km ist die Heimfahrt mit dem Abstecher über Weißrussland. Erster Stop ist in der Stadt Tschernihiw geplant. Das ist nordöstlich von Kiew und auf der gegenübergelegene Seite des Dnjepr liegt gleich Tschernobyl. Da muss ich ja auch unbedingt nochmal hin, doch wird empfohlen eher die Wintermonate für einen Besuch zu bevorzugen, da bei Bodenfrost der radioaktive Staub nicht so sehr in der Luft liegt. Auf unserem Weg lassen wir Kiew Borispol links liegen. Den Flughafen haben wir dieses Jahr gar nicht zum spechten besucht. Die Zeit war dieses Jahr irgendwie immer etwas knapp, und der online Flugplan sagte auch nichts spannendes voraus. Wahrscheinlich sitz der Schreck vom letzten Jahr mit der Begegnung des Herrn Brutalinksi auch immer noch etwas im Gedächtnis. Auf der Strecke kommen wir am Wald und Wiesenplatz Chemer vorbei. Hier sehen wir eine Anuschka welche sich in Kreisen in die Höhe schraubt. Übrigens erleben wir es das erste Mal seit 5 Jahren, eine fliegende Antonov 2 live in der Ukraine zu sehen. Sonst immer nur als Ersatzteil Schrott oder geparkt, tuckert dies Exemplar schön gemächlich gen Himmel um ein paar Fallschirmspringer zu droppen.  Ganz gastfreundlich dürfen wir auch mal hinter den Zaun, als der Propeller steht und bekommen noch einen schönen Schuss vom blauen Doppeldecker. In der Stadt Tschernihiw treffen wir gegen Abend ein, dort ist ein Strassenfest und man findet sich schnell zurecht. Recht ordentlich und sauber ist es dort, und man hat gar nicht mehr so den Eindruck in der Ukraine zu sein. Übernachtet wird wieder in einem möblierten Apartment gleich ums Eck.

Wir erreichen den Tschernihew Oblast

An 2 und die Fallschirmspringer an den kaum steuerbaren Rundkappen.

An 2 UR-DZP in Chemer

Ein typischer Hausflur in einem ukrainischen Mehr Parteien Bunker. Unterputz Verkabelung kennt man hier noch nicht. Alles zamgschusderds Glump. Schallisolierende Türen sind Pflicht, um betrunkenes Gegröle zu dimmen.

Alte Kanonen von Tschernijev im Park

Ein Hochzeitsfoto im Park mit Taras Shevchenko ist für die Paare Pflicht. Taras Shevchenko ist sowas wie der ukrainische Goethe.

Sonntagsgottesdienst in der orthodoxen Kirche. Frauen tragen Kopftuch und bedeckte Schultern.

noch eine Kirche

Leerer Lenin Sockel in Tschernihew. Hier hat der Despot bereits ausgedient.

Am Flohmarkt wird allerlei Schrott feilgeboten. Zwischendrin ist jedoch ab und zu mal ein interessantes Schnäppchen dabei. Die spezialisierten Antique Märkte sind besser.

Trolley Bus der nur noch durch die Farbe zusammenhält

Tschernihew Bahnhof mit typischen Triebwagen und Güterzug von 1 km Länge

Am Strassenrand stand dieses schöne Exemplar vom gemeinschaftlichen Ziehbrunnen. Wahrscheinlich kommt unter dem Kapellendach gleich Weihwasser raus.

Am nächsten Tag steht der Grenzüberritt bevor. Sind wir gespannt wie es laufen wird. Frau Gemahlin schätz die Situation etwa so ein, dass wenn jetzt Deutsche kommen, werden die Grenzer alle einen Kniefall vor uns machen und alles wird total zu unserer Zufriedenheit ablaufen.

Ich denke da eher skeptisch und sollte wohl Recht behalten. Wir nähern uns also langsam mit unserer „Maschina“,  in geringer Geschwindigkeit, vorbei an einer kilometerlangen Schlange von wartenden LKW´s,  zu der Kontrollstelle an. Wie schon in der Ukraine bekommt man einen kleinen Zettel mit seiner Autonummer drauf, das entspricht dann etwa einem Laufzettel, welcher einen an allen Stationen mit begleitet.

Weiter hinten gibt es einen roten und einen grünen Channel zum Einordnen. Da wir ja nix zu verzollen haben, stellen wir uns bei Grün an. Das ist aber falsch, den als „nicht Weißrusse“ muss man sich halt pauschal mal bei rot anstellen. Also wieder zurück und hinten anstellen. Die Warteschlange ist jedoch nicht lange und man könnte meinen das wird hier zügig klappen. Unsere  Pässe werden übergeben und kontrolliert. Der ukrainische Pass meiner Frau kommt alsbald zurück gereicht, die deutschen Papiere werden jetzt aber genauer unter die Lupe genommen. Die alten analog Dia Spotter von uns kennen ja noch die „Guckis“.  Genau so etwas ähnliches holt jetzt der Herr Inspektor „Sergeji Kontrollovitsch“ heraus und schaut ganz genau auf alle Seiten der Pässe. Erinnert mich spontan an Herrn Kunze, der am Tauschtag checkt ob das jetzt 100%ig scharf ist. Jetzt wird klar was das Problem ist. Der Herr Konsul aus München hat mit seiner Kernkompetenz meinen Namen mit doppel „ss“ ins Visum gedruckt, im Pass wird meine Nachname Weiß aber mit scharf „ß“ geschrieben. Wird das „ß“ im Ausland oft für ein „B“ gehalten, heiße ich in Frankreich deshalb auch schon mal des öfteren Monsieur Weib.

Aber so lustig ist es hier und heute nicht. Jetzt muss ich mit dem kleinen Kind einem Grenzbeamten auf die Wache folgen. Wir brauchen nichts anderes mitnehmen, wir sollen einfach nur mal kurz mitkommen, wird uns gesagt. Mit unseren Pässen laufen wir zu Fuss zur Grenzbude. Das heißt, der Herr Beamte läuft nicht, er SCHREITET voraus wie ein Pfau, und wir trotten lustlos hinterher. Nach 5 Minuten Fussmarsch, welche mir bei der Sommerhitze wieder ewig vorkommen sind wir auf der Wache angelangt. Als waghalsiger und erfahrener Spotter weiß man natürlich schon wie so eine Polizeistation von innen aussieht. Für all diejenigen, welche noch nicht mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind, will ich mal kurz erklären wie so eine Wache aufgebaut ist.

Man kann es sich so ungefähr wie ein Mercure in Nizza oder intercity Hotel in Ulm vorstellen.

Als erstes kommt wie die Rezeption eine Wachstube mit Monitoren, dann der Konferenzsaal aka Verhörzimmer. Es gliedert sich an das Kaffee 4-Eck die Arrestzelle an, inklusive prunkvoller Toiletten für jedermann und Frau. Ergo, von Luxus Betten Fehlanzeige.

Wir müssen also im Verhörzimmer Platz nehmen und werden vom Herrn Reviersteher nach dem Grund unseres Besuchs gefragt. Meine Antwort lautet „ just for fun“. Obwohl, so spassig könnte es ja gar nicht werden, wenn ich mir die verrosteten Handschellen des Herrn Oberforstrates ansehe, welche da an seinem Gürtel so einladend rumbaumeln. Also nichts mit rotem Teppich für die Deutschen. Ob man noch andere Dokumente mit Namen dabei hätte wird gefragt.

Ja klar, aber die haben wir doch beim Auto gelassen ihr HonKs. Die Pässe werden in einem weiteren Zimmer jetzt haarscharf unter einem Mikroskop betrachtet. Zum Vergleich werden schwere Wälzer herangezogen, in denen die Details der deutschen Reisepässe bildlich beschrieben sind. Mein Junge verliert auch schon langsam die Lust und fängt etwas das quengeln an. Ich hoffe das dies auch mal zu was nutze sein kann. Doch die Beamten lassen sich nicht aus der Ruhe bringen und glotzen weiter in ihren Mikroskopmonokel.

Nachträglich muss ich mich aber schon über die Leute wunderen, falls jemand doch mit gefälschten Papieren kommen sollte, dann würde er sich doch nicht so einen blöden Namen wie meinen in den Passport drucken. Dann würde man sich einfach Herr Maier nennen, und hätte keinen Umlaut dabei oder vielleicht sogar noch ein `Apostroph im Vornamen. So beginnt der Empfang in Weissrussland also schon mal total nervig. Nach ca 40 Minuten Zeitverschwendung dürfen wir dann wieder zurück zu unserer Droschke gehen und es geht weiter mit „Gänsefleisch mal den Kofferraum aufmachen“. Insgesamt gab es 5 Kontrollstellen mit 3-mal Pässe zeigen und Autodurchsuchung. Auch die Frage wo man sich im Land so aufhält wurde uns gestellt. Nach ca. 2 Stunden hat der Spuk ein Ende und wir fahren die restlichen paar Kilometer nach Gomel in unser Hotel Zamkovyi Park. Dort werden wir freundlich empfangen und erhalten unseren Zimmerschlüssel. Alles ist schon vorbereitet, wissen sie ja schliesslich seit gut zwei Monaten das wir heute erscheinen. Das Auto wird von einem freundlichen Herren auf den eigenen Hotel Parkplatz in Sicherheit gebracht. Wir verbringen den Abend im gegenüberliegende Spiele Park und im Hotelrestaurant. Im Park gibt es für Kinder diverse Fahrgeschäfte welche begeistert vom Kleinen erkundet werden. Wir lassen dafür unsere Blicke schweifen und sehen zum Teil echt heiße Muttis auf dem Fest. Die weißrussischen Damen haben wirklich Klasse. Egal ob Oper oder Buddelpark, meistens sehr schick gekleidet und figürlich höchst Laufsteg verdächtig, sogar noch im gehoben Alter.

Wir nähern uns der Grenze. Hier war man noch optimistisch.

Heldendenkmal dieser Art gibt es fast in jedem Ort.

Übrigens sind wir mit dem Grenzübertritt Millionäre geworden. 1.000.000 weissrussisch Rubel sind ca 50 Euro. Weil es den Menschen mit den ganzen Nullen zuviel wurde, wird momentan parallel dazu eine neue Währung mit neuen Scheinen und Münzen eingeführt. Da kommt man aber schon mal durcheinander wenn 10.000 alte Rubel 1 Neuer sind.

Am nächsten Morgen gehen wir im Park spazieren, in welchem die meisten Sehenswürdigkeiten der Stadt zu finden sind. Der Name Gomel ist etwa so entstanden, das die Leute mit dem Boot auf den Sandbänken am Fluss „Sosch„  steckengeblieben sind, und dann laut riefen. „  Go..  mel…“

Übersetzt sinngemäss :  Hey…  hier ist Sand, (gruzi fix, scheissendreck) „ .

Weil´s nicht weiterging sind die gestrandeten Flussfahrer dann an Land gegangen und haben halt eine Stadt gebaut. Diese ist ihnen auch sehr gelungen. Heute sieht man kein Papier oder Müll auf der Strasse rumliegen, auch kaum Werbung welche die Hauswände verschandelt gibt es. An Verkehrsregeln wird sich korrekt gehalten. Die Menschen fahren alle gute Autos. Arbeit haben sie Leute auch, und Lenin grüßt hier immer noch stolz von hoch oben von einem Sockel runter. Also dieser Diktator Lukaschenko hat es doch wohl ganz gut hier gemacht habe ich den Eindruck.

Wenn man sich jetzt nicht ständig über seine Menschenrechte beschweren will, und nicht zu einer klagenden Minderheit gehört, kann man es hier wohl ganz gut aushalten. Säufer auf der Strasse gibt es auch nicht wie in der Ukraine, die wurden wohl schon alle fachgerecht im Gulag entsorgt. Dafür  werden wir am Bahnhof von eine Zigeunerin belästigt, die uns eine tolle Zukunft verspricht, aber bloss wenn wir halt noch was zu rauchen geben oder bares spendieren. Dieses Pack! In Kiew sind wir letztes Jahr von so einer Hexe schon verflucht worden, weil wir uns beim warten an der roten Fussgängerampel von dem Tauschdiebe Gesindel nicht haben ausrauben lassen. Wer bedauert da nicht die Abschaffung der Arbeitslager. Übrigens dürfen deutsche Behörden den Begriff „Zigeuner“ sowie „Sinti und Roma“ aufgrund ihrer Verwendung während des Nationalsozialismus nicht mehr verwenden. So behelfen sich die Beamten bei ihren Ermittlungen oftmals mit Ausdrücken wie „Personen mit häufig wechselndem Aufenthalt“ oder „Mobile ethnische Minderheiten“. Als jüngster Begriff hat sich nun die Formulierung „Rotationseuropäer“ durchgesetzt.

Im Militärmuseum von Gomel kam es noch zu einer traurig/witzigen Begegnung. Auch hier wird viel über die Sowjetunion und den 2 Weltkrieg gezeigt. Im Aussenbereich stehen allerlei Panzer von damals rum, auch eine Lokomotive und einige Flugzeuge aus der Zeit des kalten Krieges gibt’s zu bestaunen. Im Inneren der Räumlichkeiten gibt es eine Ausstellung über die Nazis und was 1941 während der Invasion in Gomel so passiert ist. Fotografieren war dort leider nicht erlaubt. Eine gewichtige  Dickmadame in Pionier Uniform steht als Aufseherin im Raum und blickt durch ihre grosse Brille streng zu uns rüber. Auf einigen alten Fotografien in den Schaukästen erkennen wir viele Kreuze und Gräber auf den Stadtbildern. Neugierig erkundigen wir uns, ob es in der Nähe vielleicht einen deutschen Soldatenfriedhof gibt. Die Fuchtel bemerkt das ich ein Ausländer bin und ist sogleich auf Krawall gebürstet. Spöttisch meint sie zu uns : “Warum sollten wir den deutschen Besatzern jetzt noch einen Friedhof anlegen, haben die Mongos doch gar nicht verdient. Es lägen aber wohl noch ein paar deutsche Knochenreste unter der Erde im Park, und da trampeln, spielen und vergnügen sich jetzt alle Leute drauf, das sei doch wirklich toll und gerecht!“ Also sowas !?

Ihr schelmisches Lachen steckt uns noch in den Gliedern als wir alsbald von Dannen ziehen.

Denkmal im Ensemble Park in Gomel. Schiffsfahrer mit Luchs.

Freigelände des Militär Museums.

Die Wall of Fame in Gomel

Die Bahnhofshalle von Gomel. Auch hier grüßt Wladimir Iljitsch Lenin

 

Neben dem Opernhaus gegenüber Lenin befindet sich noch eine Interessante Ehrentafel. Dort werden die Firmen geehrt und lobend erwähnt welche alle ganz tüchtig sind. Auch für einzelnen Personen gibt es das noch, welche sich doch bitte jeder zum Beispiel nehmen soll. Sozusagen der Titel „Employee of the month“. Angefangen hat das mit dem Bergmann Stachanov, welcher dann zum Vorzeigearbeiter der sozialistische Arbeit galt. Der Tenor war, wenn dieser so viel arbeiten kann, können es die anderen doch auch. Ein viel gehasster Mann von denen, welche es lieber gemütlich angehen lassen. Da zum Mittag Wolken aufziehen und der Gomel Airport in der anderen Richtung unserer Marschroute liegt, statten wir diesem Platz auch keinen Besuch ab.

Unser Ritt geht weiter Richtung Masyr und Brest. Dort wird es wieder über die Grenze nach Polen gehen. Auf der ganzen Strecke gibt es nichts wirklich spannendes was Otto Normal Bürger in einem Reiseführer interessant finden könnte. Die flache Landschaft gestaltet sich die ganze Zeit recht eintönig durch Wälder und Felder. Hier und da stehen mal ein paar Ölförderpumpen herum um den Fossilien Brennstoff ans Licht zu bringen. Das vor reservierte Hostel Zimmer bei Stop Punkt 2 in Maysr verfügt sogar über eine Waschmaschine und wir können dort unseren Klamotten Bestand wieder etwas auffrischen.

Die Strasse im Süden des Landes verbindet Brest mit Gomel. Alles ist gut in Schuß.

Pumpen und Bohrtürme in der Gegend zwischen Gomel und Maysr, fördern das Erdöl.

Abstecher nach Retschyza.  Hier thront dieser silberne Mig 15 Sockelflieger am Dnjepr.

Dort begebe ich mich am nächsten Tag früh morgens alleine auf Entdeckungsreise, während der Rest der Bande noch schläft. Eine Straßenbahnstrecke und einen kleinen Futtenplatz habe ich hier auf dem Zettel. Die Trams bekomme ich an der Wendeschleife bei der Raffinerie gut vor die Linse. Die Tramführerinnen halten sogar extra bei mir an und wollen wissen was ich da mache. Trotz fehlender Sprachkenntnisse kann ich mein Handeln erklären und sie sind hocherfreut das jemand aus dem Westen ihren Beruf und ihr Arbeitsgerät zu schätzen weiß. Da wohl alle Arbeiter ihre Schicht jetzt begonnen haben, fährt auch kein Zug mehr ich ich düse zum nahegelegenen Flugplatz. Dort erhoffe ich mir gar nichts, ausser einen Sockelheli welchen man auf den google Satellitenbildern ausmachen kann. Ein paar Jungs lungern vor dem Towergebäude herum und schmauchen ihr morgendliches Lungenbrötchen. Den Hubschrauber geknipst, laufe ich mal am Gebäude vorbei am Zaun entlang und möchte sehen ob noch was auf der Rampe steht. Einer der Typen kommt mir schon hinterher gelaufen und möchte wissen was ich da will. Nur mal schauen antworte ich. Da steht doch tatsächlich ne schicke An-2 auf der Platte. So was, und ich hab jetzt mein Dolmetscher Weib nicht dabei. Es wird die Verfolgung ins Gebäude zu dem Typen aufgenommen und ich erkläre ihm mein Begehr, indem ich ihm ein paar Bilder mit Fliegern auf dem Display meiner Kamera zeige. Er sagt im strengen Ton und mit düsterer Miene „njet und do swedanja“. Auf deutsch, verpiss Dich ! Aber so leicht will ich ja noch nicht aufgeben. Aus einem anderen Korridor kommt ein älterer Herr mit weiss gebügeltem Hemd auf mich zu. Mit meinem mickrigen russisch Kenntnissen versuche ich bei ihm Zutritt zum Vorfeld und Fotoerlaubnis der An-2 zu erreichen.

Er winkt mich zu sich und wir laufen zusammen durch den dunklen Flur direkt ins strahlende Licht des Vorfeldes. Jetzt geht die Sonne das zweite Mal auf, so gross wird mein grinsen und strahlen. Da darf ich ja mal wirklich stolz auf mich sein, mein erster solo Rampenauftritt im Feindgebiet, selbst orgasmiert. Na siehste! Kein Ausweis Check oder sonst was wird verlangt, und es geht los. Mit einem fröhlichen „ bolschoi spasiba“ verlasse ich nach getaner Arbeit glücklich das Gelände, nicht ohne dem Typen, der mich verscheucht hat noch freudig mein erbeutetes Bild unter die Nase zu halten. Die Rückfahrt zum Hostel führt noch durch ein Wohngebiet und am Trambahn Depot vorbei.  Hier erkennt mich eine freundliche Strassenbahnerin am Tor mit meinem Fotoapparat stehen. Extra für mich legt sie schon halb im Gelände parkend ungefragt nochmal den Rückwärtsgang ein um mich vor ihrer Karre zu fotografiert. Sie bestand unbedingt darauf! Und so an Schmarrn mach i ja gern mid.

Tram mit Ortsschild.

Viele Wägen warten an der Wendeschleife beim Nafta Werk.

Die letzten Arbeiter trudeln ein. Jetzt verkehren die KTM 5 nur noch im Stunden Takt.

Hier haben die Russen wohl ein Raumschiff in die Erde gebaut.

Sockelheli am Waldflugplatz von Masyr.

Mein einziger Flieger den ich in Belarus geknipst habe. Klasse statt Masse.

Der Heli Mil 2 wird für Aufklärungsflüge in der Region genützt.

Keine Ausreden mehr von Besuchern, die behaupten sie hätten die Hausnummer nicht gefunden.

Frisch gestrichene Häuser, umweltgerecht verputzt mit Dämmung nach DIN ISO Norm.

Bringt die Liebe zur alten Strassenbahn einen neuen Kult? Nach Metro Sexualität a là  David Beckham, folgt jetzt wohl die Tram Sexualität. Bitte nicht mit Trans verwechseln.

Wieder vereint geht es immer weiter Richtung Westen auf der Strasse in Richtung Kobryn. Wir fahren das letzte Stück nach Brest über die Landstrasse um das komplizierte Mautsystem der Autobahn zu umgehen. Hierzu müsste man eine Plastikchipkarte gegen Kaution erwerben, mit Guthaben aufladen, und später wieder zurückgeben. Für bloss 20 Kilometer Ersparnis nicht die Anstrengung wert.

Maysr Fort, eine Art Freilicht Museum. Wir fanden es langweilig.

Eine Kirche in der Stadt Pinsk.

Häuser in einem Dorf.

Lenin herrscht, grüßt und wacht allgegenwärtig.

Der Farbauswahl bei den Kapellen sind keine Grenzen gesetzt.

Brest liegt direkt an der polnischen Grenze und ist die letzte Station auf unserem Abschnitt Belarus.

Hier muss ich Ihnen noch kurz von unserem Obdach Apartment berichten. Schon vor zwei Monaten gebucht, war die Bude also schon wieder in Vergessenheit geraten. Die Adresse haben wir im dunkeln noch gut gefunden, aber wo sind wir hier gelandet, dachten wir uns? Was habe ich hier gebucht? Das Haus, von aussen eine Bruchbude, nur Baustelle. Viel Schrott liegt rum. Eine dunkele Einfahrt, durchs Dickicht laufen wir weiter aufs Haus zu. Ein kleiner Lichtschein schimmert aus einer offen stehenden Türe. Dort sitzen in einem anderen Mietapartment zwei besoffene dicke Litauer mit freiem Oberkörper und haarigen Fernfahrerrücken die Wodka und Bier trinken. Einer hilft die alte Herbergsmutti aufzutreiben und klingelt an einer weiteren Türe. Alles ziemlich gruselig hier. Wo sind wir hier nur reingeraten, sollen wir lieber Reißaus nehmen? Die olle Oma führt uns jetzt aussen am Haus eine hölzerne Treppe hinauf zum ersten Stock. Wir wunderen uns was uns jetzt für eine Müllhalde erwarten wird.

Die Babuschka öffnet die Türe und schaltet das Licht im Zimmer ein. Bei dem Anblick hauts uns fast rückwärts wieder die Treppe runter. Auf feinstem Teppich steht ein überdimensionaler Billardtisch im Zimmer, Kronleuchter hängen an den Decken, weiter ein unendlich Zoll Flachbildfernseher, eine neue Küchenzeile und Kingsize Bett auf einem Podest, dazu schicke Säulen und Gemälde an den Wänden. Das ist ja wirklich ne krasse Hütte. Eingerichtet für die Obermacker, Players und Bitches von Weissrussland, und uns!

Wir holen schnell noch etwas Essbares und Bier vom Magazin und unser kleiner nutzt seinen neuen grossen Bälle Spielplatz bis spät in die Nacht. So kann man´s aushalten.

Billard Bude

Die Stadt Brest ist eigentlich auch der Hauptgrund das wir mal nach Belarus gekommen sind.

2 Jahre zuvor hatte Frau W. bei der Mutter im Dorf vom Dachboden mal alte vergilbte Dias ausgegraben. Wir wussten nicht wo der Ort mit der Statue sich befindet, welche da auf einem Dia zu sehen war. Wir haben dann mal die Mutter gefragt. Sie erklärte, das Bild entstand so ca 1980 als sie mal eine Studienreise nach Brest gemacht hatte. Das Denkmal schaut so imposant aus, das wollten wir unbedingt selber mal sehen, und siehe da, über 30 Jahre später sind wir auch dort im „Fort Brest“.

Schon recht früh sind wir am Start um dort möglichst wenig andere Besucher anzutreffen. Ausserdem ist die grosse Skulptur nur frühmorgens im richtigen Winkel vom Licht gut beleuchtet.

Durch einen Torbogen, der beim durchgehen die Umrisse eines sowjetischen Sterns bildet, betritt man vom Parkplatz das grosszugig angelegt Areal. Im Tunnel werden Original Tonbandaufnahmen von 1941 über Lautsprecher gegeben, mit Bombenexplosionen und Schüssen, heroischer Marschmusik und die Durchsage einer tiefen, männlich russischen Stimme mit Propaganda Durchsagen.

„Achtung Achtung, ohne Vorwarnung haben die Deutschen den Krieg gegen die Sowjetunion begonnen.“ Jetzt geht’s los usw… Wir sind fast ganz alleine auf dem Gelände und schiessen  ausgiebig unsere Bilder nach Lust und Laune.

Torbogen und Eingang zum Fort Brest

Das ur-Dia ist von ca 1980. Eine große Parade hat wohl damals statt gefunden.

So schaut es dort heute aus. Leider zum Vergleich nicht vom gleichen Winkel geklickt.

Skulptur eines Soldaten der trinken will. Dramaturgie darf nicht fehlen.

Gegenüber auf der anderen Strassenseite befindet sich das Eisenbahn Museum von Brest. Das habe ich Tags zuvor bloss durch Zufall rausgefunden, aber dort ballen sich so viele Lokomotiven aneinander, hätte man bestimmt nicht übersehen. Hier sind ausser ein paar Muttis mit Kinderwagen auch kaum Gaffer und wir können dort schön alles frei aufnehmen und besichtigen. Gott sei dank mal keine chinesische Reisegruppe als Heuschreckenschwarm.

Das Eisenbahn Museum von Brest verfügt über eine tolle Sammlung alter Loks.

Am Mittag möchten wir wieder nach Polen.  An der Grenze sind Autos über Autos in der Schlange und zusätzlich auf einem grossen Parkplatz in Wartestellung. Die Polizei regelt den Verkehr. Eine Frau kommt zu uns gelaufen und sagt, hier müsste man jetzt viele Stunden warten, aber sie würde uns gegen 3000 russ Rubel einen geheimen Grenzübergang verraten. Als ob man nicht selber in die Strassenkarte schauen könnte. Wir beschliessen einen Grenzübergang etwa 50km weiter südlich zu benutzten und fahren los. Wir sind ziemlich alleine auf der Strasse. Ab und zu sehen wir ein paar Militär Fahrzeuge die das Gebiet parallel zum Grenzzaun kontrollieren. Das Navi sagt wir nähern uns der Grenzstation unserer Wahl, und es sind keine Autos vor uns, toll. Wir nähern uns und fahren an die geschlossene Schranke. Erst jetzt erkennen wir den Grund für diese Einsamkeit. Der Grenzübergang ist geschlossen, weil gerade die Brücke saniert wird. Kein Schild hatte zuvor drauf aufmerksam gemacht. So ein Mist. Jetzt wieder hoppi galoppi zurück. Diese ganze Aktion war mal total umsonst. Sehr ärgerlich.

Jetzt stellen wir uns also nach fast 2 Stunden Zeitverschwendung doch noch in die lange Autoschlage an. Wieder haben ein paar Frauen gerufen, des würde 8 Stunden Wartezeit dauern und sie helfen für Geld eine Alternative zu finden. Alles quatsch, hört bloss nicht auf solche Weiber !

Meine Gattin ist richtig sauer und schimpft. Wie können die blöden Ischn hier ihre Zeit verbringen, und glauben auf diese Art etwas zu verdienen. Warum sind sie nicht daheim und passen aufs Kind auf oder machen ihrem Mann was zum essen? Dem muss man ja sicherlich recht Geben, herrscht hier doch schliesslich immer noch die klassische Rollenverteilung der Geschlechter.

Im Endeffekt haben wir dann 2 Stunden für die komplette Ausfuhr gebraucht, „ß“ war auch kein Problem, und bei den Polen bitte in die „EU“ Schlange stellen, auch wenn ein non Schengen Ausländer mit dabei ist. Hat alles gut geklappt. Wir schlagen die Hände ein und „geben uns fünf“ als wir endlich wieder zu Hause sind.  Also Polen fühlte sich jetzt für uns sogar schon wieder wie zu Hause an und vermittelt gleich auch wieder etwas mehr Freiheit. Die Zeitverschiebung schenkt uns eine weitere Stunde und so erreichen wir noch zu einer passablen Uhrzeit unseren gebuchten Bauernhof nahe Deblin. Dort wird am nächsten Tag das Museum der polnischen Luftwaffe begutachtet.

Das Kapitel Weißrussland ist jetzt für mich erstmal abgehackt. Die nächsten Jahre möchte ich die Strecke nicht mehr als Transit benutzen. Es war sicherlich lohnend, aber den ganzen Zirkus an der Grenze nochmal durchzumachen ist es mir nicht mehr Wert. Dann doch lieber nochmal durch das Karpatengebiet und dort eine andere Gegend entdecken. Wer mit dem Flugzeug nach Minsk kommt hat aber bestimmt nicht so sehr die Probleme. Spottertechnisch gesehen ist die Hauptstadt sowieso das einzige was lohnt. Dann wohl aber lieber bloss mit einer geführten Tour oder mit guten Beziehungen auf die interessanten Plätze, bevor man sich da auch noch Ärger einhandelt.

Nun noch ein paar Bilder vom Rest der Heimfahrt.

Polish Air Force Museum – Deblin  Line up

Polish Air Force  Ilyushin Il-28 RED 65  Polish Air Force Museum – Deblin mit Heck G.Schütz

Strassenbahnen in Kattowitz

Private Technoavia SMG-92 Turbo Finist HA-YDM Gliwice- Polen

Der Stadtplatz in Olmütz – Polen

Bemo Air  Let 200 Moravia  OK-PFM @ Vyskove LKVY

Elmontex Air Antonov An-2 OK-GIC @ Vyskove LKVY

Let Aviation  Let-610M OK-UZB Nie in Serie gegangener Prototyp in der Nähe von Koněšín

Telc Innenstadt – Knödelland

Telc Altstadt hat UNESCO Weltkulturerbe Status.

Springerclub Hosin Antonov An-2  OK-JIH Hosin – Tschechien

Springerclub Hosin Antonov An-2  OK-KIT Hosin -Tschechien

Hosin ist gerüstet für den Weltuntergang. Per Flugzeug oder Schiff, je nach Art des Armageddons wird die Evakuierung verlaufen. Ein Raumschiff fehlt noch. Wie ist das Schiff aus Hamburg wohl hierher gekommen?

Cesky Krumlov mit seiner imposanten Burg.

Wer jetzt Lust auf eine Reise nach Osteuropa bekommen hat, sollte dies unbedingt mal tun.

Hier ist meiner Meinung nach die Ukraine immer noch das interessanteste Land. Gerade auf dem Land, wo oft noch große Armut herrscht findet man die besten Motive und Geschichten. Sich querfeldein zu schlagen und kaputte Straßen zu benutzen muss man unbedingt mal erlebt haben.

Ein Dolmetscher wäre dabei jedoch sehr hilfreich. Hierbei wieder der Hinweis auf die derzeit vielen heiratswilligen Ukrainer Uschis. Der Kurs des Grivna steht immer noch recht schlecht was ein erhöhtes Partnervermittlungspotenzial darstellt. Bitte jetzt zugreifen !

Polen und Tschechien sind in den Großstädten schon sehr westlich fortgeschritten, haben aber natürlich immer noch ihr eigenes Gesicht behalten. Dort kommt man überall super mit englisch und deutsch weiter. Über Weißrussland soll sich bitte jeder selbst sein Bild machen. Danke für´s lesen.

 

Text und Bilder: Flo Weiss