Nikosia International Airport – Zyperns verwaister Flughafen

Im Juli 1974 erfreute sich Zypern eines regen Tourismus. Nach vorangegangenen politisch schwierigen und unsicheren Zeiten kehrte unter der Führung von Präsident und Erzbischof Makarios III etwas Ruhe ein. Im Jahr 1968 wurde ein neues Terminal auf Zyperns damaligem einzigen Flughafen Nikosia (NIC/LCNC) eröffnet. Es wurde von der deutschen Architektenfirma Dorsch und Gehmann aus Wiesbaden entworfen und bot Platz für bis zu 800 Passagiere. Für damalige Verhältnisse groß dimensioniert. Denn nur die Reichsten konnten sich zur dieser Zeit Flugtickets leisten. Auf dem Vorfeld konnten bis zu elf Flugzeuge abgefertigt werden. Da der Flughafen bald zu klein wurde, gab es für das Jahr 1974 Pläne zur Erweiterung. Doch dazu kam es nicht mehr.

Am 15. Juli 1974 stürzten Anhänger der griechischen Militärjunta, unterstützt von Offizieren der zypriotischen Nationalgarde, Präsident Makarios mit dem Ziel, Zypern entgegen internationalen Rechts an Griechenland anzuschließen. Der Flughafen von Nikosia wurde genutzt, um Truppen aus Griechenland einzufliegen. Unter den Touristen brach Panik aus und chaotische Szenen spielten sich ab. Tausende versuchten, das Land über den Flughafen zu verlassen. Am 20. Juli 1974 marschierten türkische Truppen ein, nachdem Großbritannien ein gemeinsames Vorgehen gegen den Putsch abgelehnt hatte. Die Türken beschossen das Flughafengelände und es brach ein erbitterter Kampf um diesen zwischen den türkischen und zypriotisch-griechischen Truppen aus. Jeder wollte den Flughafen unter seine Kontrolle bringen, um eigene Soldaten auf dem Luftweg nachführen zu können. Nur wenige Tage später, am 23. Juli 1974, gab die neu etablierte Regierung Zyperns aufgrund des Konfliktes mit der Türkei auf und Makarios kam später als Präsident zurück. Trotzdem weiteten die Türken ihre Operation weiter aus, sodass die Vereinten Nationen den Flughafen schließlich im August 1974 zur UN-Schutzzone (United Nations Protected Area – UNPA) erklärten, welche wiederum in eine Pufferzone zwischen dem von den Türken besetzten nördlichen Teil der Insel und dem Süden integriert wurde. Keine der beiden Nationen durfte sich dem Flughafengelände weniger als 500m nähern. Die Schutzzone wurde so gut verteidigt, dass das Terminalgebäude seit Beginn des Konflikts lediglich zwei Einschusslöcher von Projektilen erlitt.

Ein Jahr später wurde in Larnaca der heutige internationale Flughafen (LCA/LCLK) im südlichen Teil Zyperns eröffnet. Auf der türkischen Seite im Norden ging im gleichen Jahr der Flughafen Ercan (ECN/LCEN) in Betrieb. Der alte Flughafen von Nikosia jedoch befindet sich bis heute in der UN-Schutzzone und verfällt seitdem. An den Einrichtungen darf aufgrund des Schutzstatus nach geltendem Recht nichts verändert oder abgerissen werden. Daher befindet sich der Flughafen heute noch genau in dem Zustand, wie er 1974 verlassen wurde.

  • Der Parkplatz vor dem Terminal war für damalige Verhältnisse sehr groß dimensioniert. Denn Zypern hatte zu jener Zeit eine der höchsten Pkw-Dichten der Welt.

 

  • Ein altes Foto zeigt Hochbetrieb auf dem Parkplatz vor dem Terminal

 

Betritt man das Terminal, erblickt man sogleich ein damaliges Novum. Kontaktschleifen im Boden bewirkten, dass sich die Terminaltüren beim Annähern automatisch öffneten. Man fühlte sich damals fast ein bisschen wie auf dem Raumschiff Enterprise von Star Trek. Es sei daran erinnert, dass Captain Kirk genau zu dieser Zeit die Bildschirme erstmalig eroberte.

  • Die alten Kontaktschleifen im Boden vor den Ausgängen sind noch gut zu erkennen.

 

  • Die Check-in-Halle mit mehreren Schaltern für die verschiedenen Fluggesellschaften

  • Alte Fotos zeigen den Betrieb in der Check-in-Halle zu den Hochzeiten des Flughafens

 

  • Sitzpläne der Hawker Siddeley Trident von Cyprus Airways und BEA an der Wand nach der Check-in-Halle.

 

Nach dem Check-in-Bereich betritt man eine weitere Halle. Hier durften auch noch nicht fliegende Gäste mitkommen. An den Wänden sieht man noch alte Werbungen hängen. Bata warb für Schuhe, InterContinental Holidays für Urlaub auf Zypern und Seiko für Uhren. An der Wand hängen Sitzpläne von der Hawker Siddeley Trident für Cyprus Airways und BEA. Längst haben die Tauben das Terminal in Beschlag genommen. Am Boden findet man zwischen zentimeterhohem Vogelkot noch alte Schilder und andere Gegenstände aus der damaligen Zeit.

 

Während die Fluggäste weiter zur Passkontrolle gingen, konnten die Zuschauer über eine Treppe zur Besucherterrasse im Außenbereich des Terminals gehen, um die Abfertigung am Vorfeld zu beobachten.

  • Die Passkontrolle. Ein Schwarz-weiß-Foto zeigt den Betrieb an Kontrollbox Nr. 3.

 

  • Hier befand sich einmal die Cafeteria, in der die abfliegenden Passagiere die Zeit vor dem Flug verbringen konnten

  • Eine alte Küche der Cafeteria

 

In der Wartehalle konnten die Flugpassagiere auf damals modernen und bequemen Polsterstühlen Platz nehmen. Die Duty Free-Shops waren zu damaligen Zeiten noch nicht begehbar. Man ging stattdessen zum Tresen des Ladens, schaute sich aus der Ferne die Waren in den Regalen an und ließ sich diese dann bringen. Große runde Oberlichtfenster in der Decke lassen Tageslicht herein. Man hat tatsächlich den Eindruck, als ob jemand das Licht eingeschaltet hätte. Über der Einreise-Passkontrolle hängt eine riesige Zigarettenwerbung – eine heute befremdlicher Anblick.

  • Die alte Abflughalle – das Prunkstück des Terminals

  • Es gab mehrere Duty Free-Shops

  • Drei Telefonboxen zeugen von einer anderen Zeit…

  • Ein altes Foto zeigt, wie stilvoll und bequem das Terminal gestaltet war.

  • Damals waren die Duty Free-Läden anders als heute nicht begehbar. Stattdessen ging man zum Tresen, schaute sich die Ware in den Regalen an und ließ sich diese zum Anschauen an den Tresen bringen.

  • Eine Box für die Passkontrolle zur Einreise.

  • Heute unvorstellbar – eine große Zigarettenwerbung mitten in der Abflugshalle.

  • Die alten Gepäckbänder in der Gepäckhalle sind noch zu erkennen.

  • Alte Zollhinweise für die Passagiere in der Gepäckhalle.

  • Zwischen Taubenkot und Müll kann man noch alte Airline-Schilder finden.

  • Im gesamten Terminalgebäude sind lediglich zwei Einschusslöcher zu finden – hier im Glas der Außenfassade. So gut konnte der Flughafen von der UN geschützt werden.

 

  • Viele der Oberlichtfenster sind zerstört und lassen Regen ins Terminal – hier ein Blick auf das Dach des Terminals.

  • Blick auf die Rückseite der großen Buchstaben des Schriftzugs „Nikosia International Airport“ auf dem Dach des Terminals.

  • Heute findet man nur noch wenige Buchstaben des Schriftzugs vor. Der Rest ist bereits abgefallen.

  • Blick auf das Terminal vom Vorfeld. Vom Balkon in der oberen Etage konnten die nicht fliegenden Gäste den Flugbetrieb auf dem Vorfeld beobachten.

Nordwestlich des Terminalgebäudes befindet sich ein alter Wartungshangar. Davor steht die 5B-DAB, eine Hawker Siddeley Trident 2E der Cyprus Airways. Am 22. Juli 1974, als sich gerade alle vier Tridents der Airline auf dem Flughafen befanden, startete die türkische Luftwaffe ihren Angriff auf diesen. Die 5B-DAB wurde dabei schwer beschädigt, die 5B-DAE völlig zerstört, die 5B-DAC und 5B-DAD erlitten nur leichten Schaden. Mit UN-Sondergenehmigung wurden die DAC und DAD u.a. mit den Triebwerken und anderen Teilen der DAB soweit notdürftig repariert, dass sie mit Genehmigung der UN 1977 nach England ausgeflogen werden konnten. Dort wurden sie dann komplett repariert und flogen dann noch mehrere Jahre bei British Airways, bis sie Anfang der 80er Jahre ausgemustert wurden. Die DAC steht heute mit der alten BEA Kennung G-AVFB im Imperial War Museum in Duxford.

  • Direkt neben der Trident der Cyprus Airways sieht man die Flagge der Türkischen Republik Nordzypern, aufgemalt auf einem Berg im türkischen Teil der Insel.

Am Ende der Landebahn 27 liegt eine alte Avro Shackleton. Die Maschine mit der früheren RAF-Kennung XF700 wurde damals von der Feuerwehr fürs Training genutzt.

 

Außerhalb des Flughafengeländes befindet sich das Wrack der Tupolev Tu-104 OK-MDE der tschechoslowakischen ČSA. Ein Jahr vor dem Zypernkonflikt schoss diese im August 1973 bei der Landung über die Bahn hinaus. Alle 70 Insassen überlebten den Unfall, die Maschine wurde stark beschädigt. Bei der Invasion der Türken bombardierten diese auch die Tu-104, welche dadurch komplett zerstört wurde. Nur 500m vom Wrack entfernt befinden sich türkische Wachtürme außerhalb der Pufferzone. Wer das Wrack besuchen darf, wird von den Türken dabei genau beobachtet.

  • Die alte Anflugsbefeuerung von RWY 14 außerhalb der UN-Schutzzone des Flughafens, aber innerhalb der UN-Pufferzone.

 

  • Das Wrack der ČSA Tupolev Tu-104 in der UN-Pufferzone hinter dem Ende der RWY 32 in einem Feld.

 

  • Alte Fotos zeigen, wie gut die Tu-104 nach der Bruchlandung noch in Form war, bevor sie von den Türken bombardiert und damit zum Totalschaden wurde.

 

In den vergangenen Jahrzehnten gab es Bestrebungen, den Flughafen wieder für internationalen Verkehr für beide Seiten der Insel zu öffnen oder ihn zu einer Industriezone umzubauen, welche beide nutzen hätten können. Eine Einigung wurde jedoch nicht erzielt, ebenso wenig eine friedliche Lösung zur Wiedervereinigung beider Seiten. Somit werden das Terminal und der Flughafen noch viele weitere Jahre in der Schutzzone verbleiben, während ihre Einrichtungen weiter verfallen…