Es ist 06.00 Uhr morgens in Wunstorf. An der Zufahrt des Luftwaffenstützpunktes herrscht reger Fahrzeugverkehr. Dienstbeginn für viele der Soldatinnen und Soldaten. Auch Hauptmann Patrick und Sebastian sind unter ihnen. Sie sind Angehörige des Lufttransportgeschwaders LTG62 und die Piloten der heutigen Luftbetankungsmission mit dem A400M.
Als erstes trifft man sich zum gemeinsamen Briefing. Dort empfangen die Piloten die geplante Flugroute sowie die notwendigen Unterlagen und Laptops, die für die Flugdurchführung notwendig sind. Anschließend erfolgt das Preflight-Briefing. Hier wird die Flugroute im Detail besprochen und welche Einstellungen für die Flugdurchführung vorgenommen werden. Auch Thema ist, ob ein oder mehrere Systeme im A400M inaktiv sind oder beim technischen Zustand der Maschine etwas zu beachten ist. Beim Wetterbriefing gibt es heute nicht viel zu sagen. Kaum Wind, keine Wolken und beste Sicht. Wichtig ist auch festzulegen, bei welcher Spritmenge der sog. Autostop gesetzt wird. Denn der A400M gibt den Sprit aus den gleichen Tanks ab, welche er selbst benutzt. Um noch genügend Kerosin für den Rückflug plus Sicherheitsreserve zu haben, begrenzt der Autostop die abzugebende Spritmenge. Heute wird das Limit bei 10 Tonnen gesetzt. Insgesamt wurden von den „Receivern“, also den zu betankenden Jets, 22 Tonnen Bedarf angemeldet. Maximal könnten 50 Tonnen mitgeführt werden.
Um 07.30 Uhr geht es mit dem Kleinbus aufs Vorfeld. Mit dabei sind auch Pilot Hauptmann Marc und technischer Ladungsmeister Stabsfeldwebel Erk, welche sich die Luftbetankung mit dem A400M zum ersten Mal selbst anschauen wollen. Unterwegs zum Vorfeld fällt eine große Baustelle im Nordwesten des Stützpunktes auf. Hier entsteht gerade ein Wartungszentrum von Airbus mit zwei Hallenplätzen für den A400M. Das soll mehr Kapazität für die großen A- und C-Checks bringen, welche sonst in Manching, Sevillia und Madrid durchgeführt werden. 2027 soll das neue Zentrum eröffnet werden.
Am Vorfeld beeindruckt eine große Anzahl an A400M. 45 sind es momentan, die die Luftwaffe erhalten hat und hier in Wunstorf stationiert sind. Bis Ende 2026 soll die Auslieferung von 53 bestellten A400M abgeschlossen sein. Durch hohe Zuverlässigkeit ergibt sich ein sehr guter Klarstand. Pro Tag sind um die zehn A400M einsatzklar. Der Rest verteilt sich auf Wartung und Reparaturen. Als Tanker können momentan 10 Maschinen verwendet werden. In der Standardausführung des Transporters sind bereits viele Systeme und Software installiert, die für die Luftbetankung benötigt werden. So kann jeder A400M innerhalb kurzer Zeit mit der Installation von zwei AAR-Pods (Air-to-Air Refueling) unter den Tragflächen zu einem Tanker umgerüstet werden. Zehn solcher Ausrüstungssätze besitzt das LTG62.
Der Bus bringt die Crew zur 54+45. Dieser erst im März 2024 ausgelieferte A400M ist eine ganz besondere Version, denn er besitzt zwei im Frachtraum fest verbaute „Cargo Hold Tanks“ (CHT). Jeder dieser zusätzlich montierten Tanks hat ein Fassungsvermögen von 7200 Litern und erhöht die mögliche abzugebende Spritmenge um ein Vielfaches. Zusätzlich verfügt sie über eine sog. „Hose Drum Unit“ (HDU), eine Schlauchvorrichtung im Bereich der hinteren Laderampe, an welcher zusätzlich zu den Tragflächen betankt werden kann. 2019 führte Airbus erfolgreich die Zertifizierungstests hierfür durch. Im Februar 2024 fand über der englischen Nordsee ein initialer Trainingskurs für die ersten drei deutschen A400M-Piloten statt, um die Fähigkeit und die Erlaubnis zu erlangen, den A400M an einem anderen Luftfahrzeug zu betanken. Am 30.04.2024 betankte schließlich zum ersten Mal ein deutscher A400M einen anderen in der Luft. Diese Direktbetankung erhöht den Aktionsradius der Transportflieger erheblich und macht sie noch unabhängiger. So können die Missionsziele bei internationalen Truppen- und Materialtransporten ohne Zwischenstopp und ohne Tanker anderer Nationen erreicht werden. Der A400M hat somit ein Alleinstellungsmerkmal. Denn sie ist der einzige taktische Tanker, welcher einen dritten Betankungsspot für große Flugzeuge hat.
Während Marc den Außencheck an der 54+45 macht, bereiten Patrick und Sebastian den Tanker im Cockpit vor. Patrick flog von 2009 bis 2017 auf der Transall, bevor er auf den A400M wechselte. „Den A400M kann man viel genauer fliegen. Es gibt sehr viel Automatismus und die Maschine ist trotz ihrer Größe viel wendiger als die Transall. Beim Tiefflug z.B. sieht man auf dem Display das näher kommende Gelände als aufsteigendem Balken. Das ist sehr präzise“, schwärmt der 43jährige Hauptmann, der auf dem A400M um die 1500 Stunden im Flugbuch hat. Aber auch Marc schwärmt vom europäischen Transporter: „Das ist der Ferrari unter den Transportern!“ Er ist heute zum ersten Mal auf einer Betankungsmission dabei. Bald wird er einen einwöchigen Lehrgang zur Erlangung der Zusatzqualifikation für die Luftbetankung absolvieren. Der Lehrgang beinhaltet Theorie sowie Praxis im Simulator und einen realen Trainingsflug. Heute möchte er sich das Betanken schon mal aus der Nähe anschauen.
Im Cockpit der 54+45 ist es etwas enger als in anderen A400M. Denn sie ist taktisch ausgestattet. Das heißt, im Cockpit sind zwei schusssichere kniehohe Wände verbaut, die die Piloten im Fall eines Beschusses schützen sollen. Des weiteren ist eine Selbstschutzanlage und das dazu gehörige Bedienungspanel im Cockpit installiert. Jede Woche betankt ein deutscher A400M Kampfflugzeuge der internationalen Koalition über dem Irak. Bei solchen Einsätzen gewinnt die taktische Ausstattung schnell an Bedeutung. Von den Koalitionspartnern wird die „fliegende Tankstelle“ als zuverlässiges und leistungsfähiges System außerordentlich geschätzt.
Um 08.30 Uhr ist es soweit. Die vier EPI TP400 Propellerturbinen-Triebwerke mit jeweils 11.000 Wellen-PS (8200kW) werden gestartet. Die Besonderheit ist, dass die beiden Propeller an einer Tragfläche in entgegengesetzte Richtung rotieren. Dadurch wird eine Abwärtsbewegung der Propeller zwischen beiden Triebwerken generiert, was den Luftstrom symmetrisch in der Flügelmitte konzentriert. Damit wird nicht nur der Auftrieb und die Seitenstabilität verstärkt, sondern auch das Propeller-Drehmoment innerhalb der Tragflächen neutralisiert.
15 Minuten später schiebt Patrick die Schubhebel mit Schwung auf Vollgas. Bei einer Geschwindigkeit von 144 Knoten hebt der A400M auf der Startbahn 26 ab. Mit dem Funkrufnamen (Callsign) „Primer 9“ geht es auf Nordwestkurs zur Nordseeküste. Über den Ostfriesischen Inseln befindet sich heute das Einsatzgebiet. Dafür wurde von der Deutschen Flugsicherung DFS ein Luftbeschränkungsgebiet eingerichtet. Genau über den Inseln dreht der A400M in FL180 (18.000ft) mit 270 Knoten in ein „Holding pattern“ (Warteschleife) ein. Besonders geschätzt wird von den Piloten das Head-up-Display (HUD). So können auf diesem alle wichtigen Flugdaten abgelesen werden, ohne dass man den Blick dafür nach unten abwenden muss.
Nach etwa 30 Minuten melden sich die ersten drei deutschen Eurofighter des Taktischen Luftwaffengeschwader (TaktLwG) 31 „Boelcke“ aus Nörvenich zur Betankung an. Zunächst werden sie je nach Einsatzgebiet vom zivilen oder militärischen Fluglotsen zum Tanker gelotst oder sehen dessen Position auch selbst auf dem Radardisplay. Bis 1000ft oberhalb und 1000ft unterhalb des Tankers gibt es einen sog. Block. Die Crew des Tankers gibt den Fluglotsen vorher bekannt, ob sie die Jets im oberen oder unteren Block annehmen wollen. Sobald sich diese im Block befinden, schalten sie um auf die Tankerfrequenz. Das Heranfliegen erfolgt ausschließlich nach Sicht.
Auf der „Tanker-Page“ im „Flight Management System“ (FMS) gibt der 29jährige Copilot Sebastian ein, auf welcher Seite wie viel Sprit abgegeben werden soll. Dann werden die 24m langen Schläuche auf beiden Seiten der Tragfläche ausgefahren. Weiße Markierungen an den Schläuchen zeigen, wie weit sie ausgefahren sind. Als erstes werden die Eurofighter mit Callsign „Pack 11“ und „Pack 12“ von Sebastian nach hinten zum Betanken geschickt. Das schwierigste für die Jetpiloten ist das Andocken. Ein LED-Ampel-System zeigt ihnen, wie weit sie heranfliegen müssen. In der Nacht ist der Korb am Ende des Schlauches beleuchtet. Insgesamt kann ein Jetpilot den Schlauch um 6m nach vorne und hinten ziehen bzw. drücken. Wird es mehr, entkoppelt das System automatisch. Sobald eingeklinkt ist, fließt der Sprit automatisch und stoppt beim im FMS eingestellten Wert. Auf jeder Seite kann der A400M 1200kg/min abgeben. Der Eurofighter braucht beim Betanken etwas mehr Zeit, denn er kann maximal 400kg/min aufnehmen. Eine Dassault Rafale hingegen schafft das Maximum. Über die HDU kann sogar 1800kg/min abgegeben werden. Viel Arbeit ist es für die Piloten nicht, denn es läuft alles automatisch ab.
Das Betanken für jeden Jet dauert im Schnitt fünf bis sieben Minuten, bis die pro Jet angemeldeten zwei Tonnen aufgenommen worden sind. Dann lassen sie sich zurückfallen, das System entkoppelt automatisch. Nach dem Betanken versammeln sich die Jets noch einmal kurz auf der rechten Seite des A400M, bevor sie 1000ft nach oben steigen, wo sie sich dann von der Tankerfrequenz abmelden. Das ist ein Standardverfahren. Die „fliegende Tankstelle“ dreht weiter ihre Runden im Holding pattern.
Kurze Zeit später treffen mit Callsign „Shock 21“ und „Shock 22“ zwei weitere Eurofighter aus Nörvenich ein. Kurz vor dem Andocken schaltet Patrick auf manuell um. Der Autopilot hält zwar weiterhin die Höhe, Richtung und Geschwindigkeit bei, aber fliegt nicht mehr automatisch die Kurven im Holding pattern. Patrick programmiert die gewünschte maximale Rollrate (Bank) für die Kurven und leitet diese durch Drehen an einem Drehrad ein. Um es den Jets, welche eingeklinkt hinter dem Tanker herfliegen, leichter zu machen, initiiert Patrick in den ersten Sekunden nur eine geringe Rollrate, bevor die maximale Gradzahl erreicht wird. Sebastian kündigt die Kurve bei den Jetpiloten rechtzeitig an und gibt das Kommando „Tanker turning now“. Beim Ausleiten der Kurve „Tanker rolling out“. Da die Schläuche beim A400M nach unten durchhängen, fliegen die Jets unterhalb der Wirbel des Tankers. Daher ist er bei den Jetpiloten besonders beliebt. Für jeden Flugzeugtyp eines jeden Landes ist eine sog. „Pairing clearance“ notwendig. Grundsätzlich darf der A400M alle gängigen in Europa vorherrschenden Flugzeugtypen wie Eurofighter, Tornado, F-18, Rafale und Gripen betanken. Jedoch benötigt jedes Land aus versicherungstechnischen Gründen die Pairing clearance, um am deutschen Tanker andocken zu dürfen.
Fürs Pilotentraining stehen in Wunstorf zwei vollwertige Flugsimulatoren zur Verfügung. Dort können nationale Taktiktrainings, das A400M Typerating sowie alle weiteren notwendigen Schulungen durchgeführt werden. Die Simulatorstunde zählt dabei als vollwertige Flugstunde. Innerhalb von 45 Tagen muss jeder Pilot mindestens einmal fliegen. Ist dies nicht erfüllt oder können innerhalb 90 Tagen keine drei Starts und drei Landungen nachgewiesen werden, ist eine Nachschulung vorgeschrieben. Diese kann z.B. kostengünstig im Simulator absolviert werden.
Um kurz nach 10.00 Uhr melden sich drei Tornados vom TaktLwG 51 „Immelmann“ aus Jagel zur Betankung an. Im Gegensatz zu den Eurofightern haben sie Bedarf an jeweils vier Tonnen Sprit. „Monster 1“ klinkt auf der linken Seite des A400M ein, „Panther 1“ auf der rechten. Da die Tornados den Sprit schneller aufnehmen können, dauert das Betanken trotz der doppelten Menge nicht länger als bei den Eurofightern zuvor. Es ist höchste Konzentration gefragt. Einen Blick auf die schönen ostfriesischen Inseln und Helgoland bei bestem Wetter hat keiner. Betankungen werden generell nur bei Sichtflugbedingungen (VMC) durchgeführt. Sind diese nicht gegeben, kann nicht betankt werden. Herausragend ist der A400M auch bei der Wahl der Höhe. Von nur 500ft bis FL350 ist eine Betankung möglich. Bis zu einer Außentemperatur von -50°C uneingeschränkt, danach muss eine Zeitvorgabe beachtet werden, wie lange die Schläuche ausgefahren sein dürfen. Im Gegensatz zu Tankern mit Jet-Triebwerken kann der A400M auch bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten von bis zu 180 Knoten betanken. Das macht es möglich, auch Hubschrauber mit Treibstoff aus der Luft zu versorgen.
In Gegenden mit kaum vorhandener Infrastruktur kann der A400M bei der Luftwaffe seit 2021 auch als Tankstelle am Boden fungieren. Bei dieser als FARP (Forward Area Refueling Point) bezeichneten Fähigkeit werden am Tanker am Boden Schläuche montiert, mit denen dann Helikopter betankt werden können. Damit ersetzt der A400M fehlende Infrastruktur und Tankwägen.
Nachdem auch der dritte Tornado mit vier Tonnen Kerosin versorgt ist, versammeln sich alle drei Tornados noch einmal vor dem rechten Cockpitfenster, bevor sie sich „nach oben“ verabschieden. Es verbleiben vier Tonnen Kerosin, welche an weitere Jets abgegeben werden könnten. Diese Information gibt Sebastian über „Tanker Control“ an die in der Nähe fliegenden Jet weiter. Doch heute hat keiner mehr Bedarf. Zeit für Patrick und Sebastian, den Papierkram zu vervollständigen und sich dann aus dem Holding pattern abzumelden.
Der Rückflug nach Wunstorf dauert nicht lange und so befindet sich die 54+45 nach etwas mehr als zwei Stunden Flugzeit wieder in Endanflug auf die Heimatbasis des LTG62. Kaum sind die Türen nach der Landung geöffnet, kommt schon die nächste Crew an Bord. Die Maschine muss außerplanmäßig dringend nach Madrid. Abflug bereits in einer Stunde. Keine Ruhezeit für den A400M. Für Patrick und Sebastian ist heute aber Feierabend. Erst am nächsten Tag steht für sie der nächste Flug an. Hauptmann Marc freut sich schon ganz besonders auf einen seiner nächsten Flüge. Im Rahmen der multinationalen Übungsmission „Pacific Skies 2024“ wird er mit dem A400M nach Hawaii fliegen, um dort Material abzuholen. Auf dem Heimflug geht es dann ohne Kursänderung weiter, sodass er am Ende einmal um die Welt gereist sein wird. Ein einmaliges Erlebnis für den Piloten, aber für den europäischen Transporter lediglich ein ganz normaler Abriss seiner Leistungsfähigkeit…
Dieser Artikel erschien erstmals in der Flug Revue online.