Endlich ist es soweit. Seit Mai probiere ich, diese Tour zu fliegen. Aber nie hat es geklappt. Doch seit einiger Zeit beschert uns das Langzeithoch Patricia Sommerwetter mit bis zu 30°C, und das Mitte September! Die letzten beiden schönen Tage dieses Hochs wollen Steffen und ich nun für unsere große Jahrestour nutzen.
Wir starten bereits früh in Ampfing (EDNA). Um 08.10 Uhr heben wir ab. Gleich nach Verlassen der Bodeninversion wird es auf einen Schlag warm im Cockpit. Aus der Lüftung kommt nicht mehr kühle Luft, sondern lauwarme.
Zunächst führt uns der Kurs entlang des Inntals bis Innsbruck. Innsbruck Radar schickt uns auf 7000ft über M1 und S direkt zum Brenner. Das Wetter könnte nicht besser sein, es ist wolkenlos und der starke Dunst über dem Alpenvorland in Deutschland lässt langsam nach.
Ab dem Wegpunkt Brenner (BR), dürfen wir auf Padova Information umschalten. Doch das probiere ich gar nicht erst, denn in keiner VFR-Höhe ist die FIS hier wegen der Abschirmung der Berge erreichbar. Wie im Flugplan angegeben folgen wir dem Tal, in welchem die Brennerautobahn A22 verläuft.
Als nächstes rufe ich den Flughafen Bolzano auf Höhe des Anflugspunktes E1. Denn wir müssen dessen Luftraum kreuzen, um ins Sarntal zu kommen, wo wir Sightseeing machen wollen. Auch hier ist jeder entspannt und wir können wie gewünscht unser Routing fliegen. Über der Stadt Sarthein mit der schönen Burg Reinegg–Sarnthein drehen wir um und melden uns wie gewünscht wieder bei Bolzano. Dann überfliegen wir den Flughafen von Nord nach Süd und folgen weiter dem Brennertal.
Es dauert nicht mehr lang, bis wir uns beim Flugplatz Trento–Mattarello (LIDT) anmelden. Es findet gerade viel An- und Abflug statt. Zwei Flugzeuge kommen in unsere Richtung, da müssen wir gut Ausschau halten. Wir sehen sie aber auf unserem FLARM und sie sehen uns. Passt. Heute ist die Piste 36 in Betrieb. Nach etwa zwei Stunden Flugzeit setzt Steffen unseren Breezer sanft auf den feinen Asphalt. Gleich beim Abrollen werden wir von einem Fotografen abgelichtet. Wie sich später in einem Gespräch mit ihm herausstellt, fotografiert er für die berühmte Flugzeugbilderseite www.airliners.net.
Als nächstes steht Auftanken auf dem Programm. Es gibt Super Benzin zum Preis von 2,00€/l, zahlbar unkompliziert mit Kreditkarte. Nach dem Tanken wird uns die Parkposition 13 auf dem Vorfeld zugewiesen. Die Markierungen hier sind wirklich äußerst verwirrend und selbst nach zweimaligem Anschauen ist mir immer noch nicht klar, wie die Maschine dort abzustellen ist. Eine Nachfrage am Funk verschafft dann aber Klarheit. Im Tower wird zu unserer Überraschung noch mit Landestreifen gearbeitet. Auch unser Flug ist auf einem solchen verzeichnet. Daneben im Flugplatzcafe gönnen wir uns eine heiße Schokolade bzw. Kaffee. Die Temperaturen sind bereits auf 25°C angestiegen.
Dann geht es weiter, von nun an ohne Flugplan. Auf Piste 36 starten wir wieder. Da ich nicht weiß, ob ich später auf Höhe Verona Funkkontakt mit der FIS bekommen werde und dort bei 2500ft Luftraum D beginnt, steigen wir gar nicht so hoch. 2800ft reicht auch hier in den Bergen.
Nachdem wir die letzten Ausläufer der Alpen im Süden auf Höhe des Gardasees, dessen südliches Ende wir nun sehen können, passiert haben, nehmen wir Direktkurs auf CIBFU und weiter auf OTZOM. Wie erwartet bekomme ich keinen Funkkontakt mit Milano Information. Es ist extrem viel los, ich finde kaum eine Lücke, um zu funken. Zweimal gelingt es mir, eine solche zu finden, doch keine Antwort von der FIS. So gebe ich auf und raste stattdessen den Listening squawk 4613 und die dazugehörige Monitoring Frequenz. 2300ft reichen auch gerade so, um die letzten flachen Ausläufer der Alpen überfliegen zu können. Ab OTZOM verlassen wir das Bergland und fliegen ins Flachland der Po-Ebene ein.
Charakteristisch dafür ist auch der Dunst, welcher hier die Sicht sehr oft einschränkt. So auch heute. Schön ist es nicht, aber es geht noch. Je näher wir dem Fluss Po kommen, desto dichter wird der Dunst. Landschaftlich findet man hier kaum Abwechslung. Alles flach und wenig zu sehen.
Richtung unserem nächsten Ziel Reggio Emilia (LIDE) wird die Sicht wieder besser. Entlang der Autobahn A1 fliegen wir in den Gegenanflug für die Piste 11 ein. Um das Fußballstadion Mapei drehen wir in den Queranflug. Dieser führt direkt auf das schöne historische Stadtzentrum von Reggio Emilia zu. Der Belag der Asphaltbahn ist ziemlich rau, hat wohl schon einige Jahre hinter sich.
Hier tanken wir nochmal auf. Denn bis zum nächsten Tankstopp sind es doch noch über zwei Stunden und seit Trento waren wir auch schon eine gute Stunde unterwegs. Es gibt nur AvGas zum Preis von 2,53€/l. Das Personal ist sehr nett hier, man ist willkommen. Im Flugplatzgebäude gibt es einen Wasserspender, welcher sogar Wasser mit Kohlensäure hat. Genial bei den heißen knapp 30°C draußen. Sonst ist nur wenig los. In den Hangars stehen Hubschrauber vom Typ Agusta-Bell 412SP der Vigili del Fuoco und eine historische wieder flugfähig gemachte Aermacchi MB.326E des Fliegenden Museums Volafenice. Sehr interessant!
Nach einer ausführlichen Routenbesprechung im Schatten unter unserer Tragfläche legen wir wieder los. Bereits vom Boden aus können wir die Berge des Apennin, genauer gesagt des Appennino settentrionale, sehen. Diese werden wir im folgenden Leg überfliegen. Für den Start in Reggio Emilia weist man uns die Piste 29 zu. Um 14.20 Uhr starten wir. Doch bevor es in den Apennin geht, steht noch ein Touch and Go am privaten Flugplatz Top Gun (RE03) etwas südwestlich der Stadt an. Zu verlockend war dieser Name, welcher mich unweigerlich an meinen Flugzeugträgerbesuch im letzten Jahr erinnert. Die Grasbahn dort ist 520m lang und eine Straße kreuzt die Piste in der Mitte. Man muss also aufpassen. Laut Avioportolano ist die präferierte Lande- und Startrichtung die 19. So machen wir es auch. Ein schöner Platz, aber man muss auf eine Stromleitung nur 110m nach dem Ende der Piste aufpassen.
Nun folgt ein Steigflug auf 6500ft. Diese Höhe habe ich für unsere Apenninüberquerung errechnet. Zuständige FIS ist hier Milano. Am Funk ist etwas weniger los als es noch bei Verona der Fall war, aber ich muss einige Minuten warten, bis ich eine Lücke zum Funken finde. Die Funkqualität ist zunächst gut. Unsere Route wird genehmigt, wir können fortfahren wie geplant. Die Berge steigen schnell steiler an, bis zu über 6000ft neben unserer Flugroute. Mit den ansteigenden Bergen nimmt auch die Funkqualität von Milano Information immer weiter ab. Man könnte fast meinen, die FIS funkt aus dem Weltall.
Über dem Passo del Cereto sind die Berge niedriger, was einen problemlosen Überflug ermöglicht.
Hier verlassen wir auch die Emilia-Romagna und fliegen in die Toskana ein. Zeitgleich beginnen wir mit dem Sinkflug. Denn vor uns liegt das Ligurische Meer. Während unseres Sinkfluges passieren wir die Marmorsteinbrüche bei Carrara. Diese liegen auf durchschnittlich 1000m Höhe. Carrara-Marmor ist einer der bekanntesten Marmore der Welt. Wir sind beeindruckt von der schieren Größe dieser Steinbrüche!
Dann wird es Zeit, mich bei Milano abzumelden. Wir sehen bereits unser nächstes Ziel, den Flugplatz Massa Cinquale (LILQ). Seine Lage ist beeindruckend. Zwischen den Bergen des Apennin und dem Meer liegt dieser eingebettet zwischen den Häusern des Touristenortes Forte dei Marmi. Hier wollen wir einen Low Approach machen. Die Räder möchte ich nicht aufsetzen, denn der Platz ist auch als Reifenkillerplatz bekannt. Von den umliegenden Sträuchern und Bäumen weht der Wind kleine Dornen aufs Gelände und diese haben schon so manche Reifen gekillt. So ist es auch unserem Freund Lucas mit seinem Breezer ergangen.
Am Funk meldet sich keiner, also sende ich blind und teile unser Vorhaben mit. Normalerweise ist die 23 die übliche Landerichtung, doch aufgrund des Panoramas möchte ich gerne die 05 übers Meer anfliegen. Die Kontraste könnten nicht stärker sein. Über dem blauen Meer drehen wir in den Endanflug ein. Kurz vor der Piste, welche um diese Jahreszeit ausgebrannt braun und wüstenartig ist, überfliegt man gelben Sandstrand mit hunderten von Sonnenschirmen. Gerne hätten wir hier Station gemacht, aber ich möchte nicht unsere Reifen aufs Spiel setzen.
Stattdessen überfliegen wir die Piste in nur einem Meter und starten dann durch. Direkt auf die Berge des Apennin zu.
Bei der Flugplanung war mir ein anderer kleiner Flugplatz in unmittelbarer Umgebung am Rande der CTR Pisa aufgefallen: ein Campo di Volo, also ein UL-Platz, namens Delta Condor (LU04). Dieser befindet sich direkt neben dem malerischen See Lago di Massaciùccoli. Per WhatsApp hatte ich wenige Tage vorher die Genehmigung zur Landung bekommen. Am Funk meldet sich keiner, als wir uns im Anflug befinden. Scheinbar keiner da. Also erstmal über den Platz fliegen und die Lage checken. Im Avioportolano steht, dass es zwei Pisten gibt. Die 15/33 mit 320x30m und die 13/31 mit 400x30m. Beide Bahnen sind nebeneinander eingezeichnet. Die längere der beiden, also die 13/31, soll die Hauptbahn sein. Beim Überflug des Platzes sieht mir das aber alles etwas komisch aus. Die längere Bahn ist völlig separiert vom Flugplatz, ohne Rollweg zu diesem. Büsche und Gräben trennen diese ab. Es sind zwar Landereiter aufgestellt, aber die Piste schaut ziemlich unbenutzt und brach liegend aus. Die kürzere Bahn hingegen sieht gut und benutzt aus. Sie liegt auch direkt an den Hangars. Daher entscheiden wir uns, auf dieser zu landen.
Der Wind kommt aus nördlichen Richtungen, also landen wir auf der 33. Über dem See drehen wir in den Endanflug.
Der Anflug ist gar nicht so einfach, denn nur 130m vor der Schwelle verläuft eine erhöhte Eisenbahnlinie mit Stromleitungen und direkt vor dem Bahnbeginn ein kleiner Wassergraben mit einem einen Meter hohen Zaunstück, welches das Bahnende bzw. deren Beginn markieren soll. So setzt man unweigerlich erst nach einem Drittel der Piste auf. Das reicht gerade so für eine komfortable Bremsung bis zum Bahnende.
Nach dem Aussteigen wandert mein Blick sofort über die Bahn zwischen den beiden Enden. Wird das für einen sicheren Take off ausreichen? Denn im Süden befindet sich die hohe Stromleitung der Eisenbahn, was einen Start in diese Richtung ausschließt. Aber der Wind kommt eh aus Nord. Doch auch am Ende der 33 befinden sich Hindernisse. Zum einen direkt an deren Ende ein kleiner Hang, welcher auf einen halben Meter ansteigt und zum anderen auf diesem oben drauf ein knapp 1,50m hoher Zaun. Zu allem Überfluss gibt es dann noch hohe Bäume 250m hinter der Bahn, denen man mit einer Rechtskurve ausweichen muss. Reicht das für unseren Breezer? Wir sind immer noch ziemlich voll getankt und auch gut beladen.
Zu Fuß schreiten Steffen und ich die Bahn ab. Dabei entdecken wir noch etwas Unangenehmes: der Grasboden ist sehr weich, man sinkt ein wie auf einem dicken Teppich. Auch das noch! Das sorgt zusätzlich für eine noch längere Startrollstrecke…! Bei den Hangars treffen wir auf einen anderen lokalen Piloten. Er kann jedoch nicht viel Auskunft geben, denn er hat seine eigene Maschine erst vor wenigen Tagen hier zum ersten Mal gelandet. Gestartet ist er hier noch nie. In Gedanken höre ich in der Zukunft schon zwei Leute sich unterhalten. Ein Neuling fragt einen alten Hasen vom Flugplatz: „Was ist eigentlich mit der Maschine da vorne, die da so vor sich hinrottet?“ Antwort: „Ach, die ist da mal vor Jahren gelandet und konnte nicht wieder starten, weil die Bahn zu kurz ist. Seitdem steht sie dort…“
Aber so weit wollen wir es nicht kommen lassen. Ich entscheide mich, ohne Steffen und dessen Gewicht einen Probestart mit Platzrunde zu machen. So rolle ich bis ans Ende der Bahn. Dann Vollgas. Zu meiner Freude hebt sich das Bugrad schon bald. Die halbe Miete ist gewonnen. Kurze Zeit später das Hauptfahrwerk. Nach etwa 190m bin ich in der Luft und erleichtert. Die Bäume hinter der Piste kommen schnell näher, da muss man gekonnt ausweichen. Schon eine ziemlich knappe Geschichte. Ich mache eine kurze enge Platzrunde und lande wieder. Mittlerweile ist auch ein Verantwortlicher vom Flugplatz gekommen. Er ist sehr nett und fragt, ob wir irgendetwas brauchen. Landegebühr ist hier ein Fremdwort. Er erzählt, dass jemand kürzlich das Grundstück zwischen den beiden Bahnen gekauft hätte und sie da jetzt mal vorsichtig anfragen wollen, ob die Möglichkeit bestünde, beide Bahnen wieder miteinander zu verbinden. Dann stünden wieder 400m zur Verfügung.
Nun steigt Steffen wieder zu. Wir wollen weiter. Die Elevation von Delta Condor beträgt 0ft. Ungewohnt für uns. Da wir es mit dem großen Wendekreis nicht schaffen, bis ganz ans Ende der Bahn zu rollen, schalten wir den Motor nochmal aus und schieben den Breezer per Hand ganz nach hinten, um keinen Meter zu verschenken. Um 16.25 Uhr schiebe ich den Gashebel auf Vollgas. Die Maschine beschleunigt fast wie bei meinem Solostart. Sehr gut. Nach 235m lösen sich die Räder und wenige Augenblicke später überfliegen wir den Zaun in nur wenigen Metern Höhe. Dann flache Rechtskurve, um den Bäumen auszuweichen. Aber nicht zu steil, um keinen Strömungsabriss zu provozieren. Das wäre geschafft!
Der Wegpunkt OLKIS, welchen wir als nächstes anfliegen wollen, liegt auf 1903ft und ist nur gut 5nm entfernt. Da müssen wir einen großzügigen Vollkreis fliegen, um die notwendige Höhe aufzubauen. Das nächste Leg führt wieder in die Berge des Apennin hinein. Zwar sind die Berge dort nicht mehr so hoch wie noch beim vorherigen Überflug, aber wir müssen trotzdem über 3000ft fliegen. Zuständig am Funk für uns ist hier Pisa Approach. Da sich auf zwei meiner Funksprüche niemand meldet, probiere ich es bei Firenze Radar, der nächsten Frequenz, die wir in wenigen Minuten rasten müssen. Doch auch dort antwortet keiner. Also wieder zurück auf Pisa und dann klappt es auch mit der Kommunikation. Wir dürfen auf 3500ft steigen, was sich bereits im Luftraum D befindet. Zudem dürfen wir direkt Kurs auf unser nächstes Ziel, den Flugplatz Collina (FI03) nehmen. Wenig später, als wir bereits mit Firenze Radar funken, sehen wir auf unserer rechten Seite schön die Stadt Florenz mit seiner großen Kathedrale und den großen Flughafen Amerigo Vespucci am Fuß der Berge. Kurz vor dem malerischen Stausee Lago di Bilancino dürfen wir uns von der Frequenz abmelden und Collina rufen. Wie erwartet meldet sich auch hier niemand. Aber wir haben auch hier die Landeerlaubnis wenige Tage vorher per WhatsApp bekommen. Und die Info, dass es aktuell keinen Windsack gäbe, denn den hätte ein Sturm zerfetzt.
Als nächstes passieren wir die Motorsport-Rennstrecke von Mugello. Diese gehört Ferrari und wird für den Großen Preis von Italien zur Motorrad-Weltmeisterschaft, einige Läufe der DTM sowie für Formel-1-Testfahrten von Ferrari genutzt.
Nicht weit davon entfernt liegt der Flugplatz Collina. Wir halten Ausschau nach Windanzeigern. Doch leider finden wir nichts Brauchbares. Kein Windrad, kein Rauch weit und breit. Nachdem wir den Platz einmal überflogen haben und auch nichts über den Wind herausfinden konnten, entscheiden wir uns für eine Landung auf der 720m langen Grasbahn 04. Diese steigt leicht an und ist ziemlich staubig. Hier muss es seit Ewigkeiten nicht mehr geregnet haben… Nach der Landung sehen wir, dass wir mit Rückenwind gelandet sind, aber bei der ansteigenden Piste war das kein Problem.
Auf dem Vorfeld gibt es einen kleinen offenen Unterstellplatz sowie einen großen Hangar mit vielen Flugzeugen. Ein lokaler Pilot heißt uns Willkommen und bringt uns zum Clubgebäude. Dort gibt es einen Getränkeautomaten. Eine willkommene Erfrischung, die uns die Lebensgeister wieder zurückbringt.
Eine Landegebühr gibt es auch hier nicht und so machen wir uns wieder vom Acker. Bergab, auf der 22, heben wir ab. Nun müssen wir auf 4500ft steigen, um nicht in den Nationalpark Foreste Casentinesi einzufliegen. Da ab 4500ft auch wieder Luftraum D beginnt, müssen wir uns bei Bologna Radar anmelden. Die Verbindung ist diesmal hervorragend und es ist wenig los. Ein Traum! Zum ersten Mal bekomme ich in Italien einen Squawk zugewiesen. Von unserer aktuellen Position aus dürfen wir unser Tagesendziel San Marino direkt ansteuern. Nach dem Nationalpark mit seinen geschwungenen dicht und grün bewachsenen Bergen flacht sich die Landschaft etwas ab.
Schon von der Ferne sehen wir den 739m hohen Monte Titano, auf welchem sich die Stadt San Marino befindet. Das gleichnamige Land gehört zu den reichsten der Welt, zählt als weltweit älteste dauerhaft bestehende Republik und ist einer der sechs europäischen Zwergstaaten.
Da wir den Monte Titano für Foto- und Videoaufnahmen vor unserer Landung umkreisen wollen, erbitte ich den Sinkflug. „D-MFSI, descent at your own discretion“, kommt von Bologna Radar zurück. Während wir die imposante Altstadt, welche zum UNESCO Weltkulturerbe gehört, umkreisen, können wir u.a. die Basilika, das Rathaus Palazzo Pubblico und die große Burganlage mit seinen drei Türmen bestaunen. Jetzt im flachen Licht der untergehenden Sonne ein Traum! Die Burgtürme sind das Wahrzeichen der Stadt und zieren auch deren Wappen. Der größte Turm namens Guaita wurde im 11. Jahrhundert als erster erbaut, etwas später folgten die beiden anderen. 4100 Einwohner leben in San Marino Stadt. Im gesamten Staat sind 33.800 Bewohner registriert.
Nach einer Umrundung suchen wir uns den 6km nordöstlich der Stadt gelegenen Flugplatz Torraccia (LIKD). Das ist der einzige Flugplatz des 61km² großen Zwergstaates und das Ziel unserer Reise. Er liegt nur 165m von der italienischen Grenze entfernt. Die Platzrunde führt über italienisches Gebiet im Osten. Man muss auf die CTR Rimini aufpassen, welche ebenfalls nicht weit weg vom Platz beginnt. So muss die selbst ausgedachte Platzrunde ziemlich eng ausfallen. Zunächst aber umrunden wir den Platz einige Male für Fotos. Am Funk meldet sich keiner, wir senden blind. Dann gehts zur Landung. Üblicherweise wird auf der 34 gelandet und auf der 16 gestartet. Denn die 650m lange und 30m breite Piste 34 steigt mit 1,5% an. Uns überkommt ein bisschen das Gefühl von einem Altiport, denn der Flugplatz liegt auch noch auf einem Plateau, welches mit der Schwelle der 34 beginnt. Eine Landung auf der 16 wird nur bei stärkeren Süd- und Südwestwinden empfohlen. Dann muss man allerdings aufgrund von höherem Terrain unmittelbar vor der Piste sowie des abfallenden Geländes der Landebahn mit einer längeren Landedistanz rechnen.
Als die Räder den ziemlich holprigen Boden berühren, merken wir schnell, warum hier nach Regenfällen konsequent gesperrt wird. Erde und Gras wechseln sich einander ab, das wird schnell matschig. Kurz vor der Hälfte der Bahn fällt diese auch noch quer zur Seite nach Osten ab, man muss also stärker das linke Seitenruder treten, um in der Mitte zu bleiben. Durchaus anspruchsvoll. 2012 wurde die Piste von nur 500m auf die heutigen 650m verlängert. Ein weiterer Ausbau auf 950m wird zur Zeit diskutiert, scheitert aber bisweilen am Widerstand der Anwohner. Zum Vorfeld geht es steil bergauf. Der Rollweg ist aber komfortabel geteert. Bei der Tankstelle befindet sich eine ebene Asphaltfläche, zum Clubhaus und Hangar muss man auf Gras weiter bergauf rollen. Ein wirklich interessanter Flugplatz!
Und man ist hier nicht mehr in der EU. San Marino hat zwar den Euro und ist Mitglied der UNO und des Europarats, nicht aber der Europäischen Union. Zoll- und Passkontrollen finden aber nicht statt. Man kann jederzeit ungehindert ein- und ausreisen, sofern man aus EU-Ländern kommt. Will man von einem Nicht-EU-Land anreisen, müsste man zuerst in Italien zwischenlanden und dort die Zoll- und Einreiseformalitäten erledigen. Verantwortlich für den 1985 eröffneten Flugplatz ist der Aero Club San Marino, welcher auch eine Flugschule mit drei Maschinen (Cessna 152/172), die Tankstelle und das Restaurant betreibt. Vor jeder Landung aus EU-Ländern muss man sich mindestens zwei Stunden vorher beim Aero Club per Email anmelden. 30 Minuten Vorlaufzeit reichen bei einem Abflug in EU-Länder aus (Italien ist sowohl bei Landung als auch Start von der Anmeldepflicht ausgenommen). Dies ist notwendig, sollten sich die Behörden nämlich doch einmal für eine Kontrolle entscheiden. Geöffnet ist der Flugplatz täglich, SR-30 bis SS+30, nicht aber wenn die Graspiste durchnässt ist. Sprit bekommt man nur, wenn der Aero Club besetzt ist. Auch deswegen sollte man sich auf jeden Fall per Email ankündigen. Zugelassen ist der Flugplatz laut Gesetz der Zivilluftfahrtbehörde L‘Autorità per l‘Aviazione Civile für Flugzeuge bis MTOW 5,7t, Helikopter und Ultraleichtflugzeuge.
Landen dürfen in Torraccia nur Piloten, die mindestens fünf Starts und Landungen auf Aviosuperfici, also kleinen privaten Flugplätzen, sowie generell fünf Starts und Landungen innerhalb der letzten 90 Tage absolviert haben. Während wir zur Tankstelle rollen, sehen wir eine hier registrierte Diamond DA50, deren Piloten gerade auf ihre Gäste warten. Sie trägt die Länderkennung T7 und ist damit eine von aktuell mehr als 200 im Zwergstaat zugelassenen Maschinen. San Marino ist zwar kein Mitglied der EASA (European Aviation Safety Agency), dafür aber Mitglied der ECAC (European Civil Aviation Conference) und seit 1988 ICAO (International Civil Aviation Organization)-Vertragsstaat, was international gültige Sicherheitsstandards gewährleistet. 2001 bekam das Land von der ICAO die Länderregistrierung T7 zugewiesen und damit die Erlaubnis, kommerziellen Luftverkehr betreiben zu dürfen. Seit 2012 ist das Luftfahrzeugregister San Marinos auch offen für ausländische Luftfahrzeuge und Airlines. Der Staat wirbt damit, dass bei einer Zulassung eines Luftfahrzeugs im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern keine Einfuhr- und Versicherungssteuern anfallen. Die Registrierung eines Luftfahrzeugs kann sowohl nach europäischen EASA- als auch nach amerikanischen FAA (Federal Aviation Administration)-Standards erfolgen, was einige Vorteile bedeutet. Denn die FAA hat nicht ganz so strenge Zulassungsvorschriften wie die EASA, welche für die EU-Länder zuständig ist.
Da es in San Marino keinen großen Flughafen und Wartungsbetrieb gibt, muss die Wartung zur Erhaltung der Lufttüchtigkeit eines im Staat registrierten Luftfahrzeugs in anderen Ländern erfolgen. Dafür gibt es in vielen Ländern der Welt Partnerbetriebe, was für Flugzeugbesitzer viel Flexibilität bedeutet. Im Register können sich auch vorübergehend stillgelegte, nicht operierende oder sich zwischen Leasingverträgen befindliche Airlines, Leasinggeber und Finanziers eintragen, um das Air Operator Certificate (AOC) zu erlangen. Aktuell besitzen mehr als 13 Airlines und Firmen ein AOC des Zwergstaates. Mit einer Dauer von nur ein bis drei Tagen ist die Registrierung eines Luftfahrzeugs oder Airline in San Marino die schnellste der Welt. In anderen Ländern dauert dieser Prozess in der Regel ein bis zwei Monate.
Die meisten hier registrierten Flugzeuge operieren vom 12km entfernten italienischen Flughafen Rimini oder eben weltweit. Nur ein paar wenige kleine Maschinen sind in Torraccia selbst stationiert.
An der Tankstelle gibt es Mogas für 2,40€/l. Im Gebäude des Aero Clubs trägt man sich ins Landebuch ein, Pflicht für jeden Piloten. Während ich dieses mit unseren Daten befülle, sehe ich, dass heute ein anderes deutsches UL von hier zurück nach Jesenwang geflogen ist. Interessant. Eine Landegebühr gibt es in Torraccia nicht. Äußerst pilotenfreundlich! Auch das Personal ist extrem freundlich. Auf die Frage, ob man noch zu einer Abendrunde starten könne: „Absolutely no problem! You can come and go as you want!“ Man animiert uns förmlich dazu: „Now in the evening the light is the best of the day! The golden light!“
Das lassen wir uns nicht entgehen und so starten wir gleich wieder, nachdem wir uns noch schnell ein Hotel gebucht haben. Der Take off wie gesagt auf Piste 16 bergab. Im goldenen Licht der untergehenden Sonne umrunden wir den Monte Titano zweimal. Eine fantastische Stimmung! Dann wird es langsam dunkel und wir kehren zum Flugplatz zurück.
Da es bereits nach 19.00 Uhr ist, befindet sich keiner mehr auf dem Flugplatz. Lediglich der Pilot einer Tecnam, welcher Platzrunden gemacht hatte, packt gerade seinen Flieger auf der Parkfläche ein. Wir stellen uns daneben und bereiten unseren Breezer für die Nachtruhe vor.
Vom Aero Club hatten wir zuvor die Telefonnummer eines Taxiunternehmers bekommen. Dieser kommt auf unseren Anruf 20 Minuten später vorbei und holt uns ab. Mittlerweile ist es dunkel geworden. Die Autofahrt auf den Monte Titano in die Altstadt auf den kleinen Landstraßen und später dann Stadtstraßen dauert 15 Minuten. Die letzten 500m zum Hotel müssen wir zu Fuß gehen, da es autofreie Zone ist. Mit 40€ ist die Taxifahrt nicht gerade billig, aber der einzige und schnellste Weg für uns.
Im Hotel Bellavista beziehen wir unsere Zimmer. Die Rezeptionistin organisiert uns gleich ein Taxi für den nächsten Morgen. Sie fragt uns, ob wir einen Parkplatz für unser Auto oder Motorrad brauchen. Weder noch, entgegnen wir. Da will sie wissen, wie wir hierhergekommen sind. Auf die Antwort „mit dem eigenen Flugzeug“ entgegnet sie: „Wow, really? At Torraccia here? You are the very first persons coming with an aircraft that I check in in this hotel!“ Da Steffen und ich schon ein extrem großes Loch im Bauch haben, essen wir gleich im Hotelrestaurant. Wie sich herausstellt eine hervorragende Wahl. Das Essen ist erstklassig und die Atmosphäre in der Altstadt genial. Den Tag runden wir mit einem Spaziergang durch die Altstadt ab. Es ist keine Saison mehr, nur wenige Touristen begegnen uns.
Am nächsten Tag, als es noch dunkel ist, werden wir um 06.15 Uhr vom bestellten Taxi abgeholt. Nicht umsonst wollen wir so früh zum Flugplatz. Einerseits wollen wir so früh wie möglich abfliegen, um nicht zu spät über die Alpen fliegen zu müssen. Denn ab Mittag sollen die Quellwolken deutlich zunehmen und dann sind auch Gewitter nicht auszuschließen. Andererseits wollen wir auch den Sonnenaufgang anschauen. Am Flugplatz hat man dazu Logenplatz. Und wir werden nicht enttäuscht. Man sieht im Osten bis nach Rimini und ans Meer. Der Dunst zaubert einen schönen Sonnenaufgang für uns. Perfekt für mich als Hobbyfotograf.
Zu unserer Freude ist die Haube, mit der die Maschine über Nacht abgedeckt war, kaum feucht. Es war scheinbar sehr trocken. Vermutlich wegen der Höhenlage, auch wenn es nur 807ft sind. Um 07.40 Uhr starten wir auf der 16. Außer uns ist niemand am Flugplatz. Für Fotoaufnahmen umkreisen wir den Flugplatz 10 Minuten lang und machen zum Abschluss noch einen Low Approach auf die 16. Dann schlagen wir Nordwestkurs Richtung Verona ein. Bologna Radar schickt uns auf 2500ft. Gleich bei der Anmeldung habe ich dem Lotsen unsere geplante Route über die Wegpunkte PELEG, SUKOM, Ferrara, VABOK und OTZOM mitgeteilt. Da scheinbar kaum Verkehr um diese Uhrzeit ist, bekommen wir ungefragt eine Abkürzung. Wir dürfen direkt Kurs auf die Stadt Ferrara nehmen, mitten durch die CTR zwischen den Flughäfen Forli und Cervia. Eine tolle Sache, das spart uns einige Minuten ein. Ursprünglich war geplant, dass wir um 07.30 Uhr abheben und nach Verona fliegen, um dort pünktlich um 09.00 Uhr zur Flugplatzöffnung zu landen. Doch wegen der Verzögerung durch die Fotoaufnahmen wären es nun 20 Minuten Verspätung. Die nun bekommene Abkürzung macht einiges wieder wett.
Schon bald wird die Landschaft wieder flach und langweilig: die Po-Ebene. Alles sieht gleich aus. Je näher wir zum Fluss Po kommen, desto dunstiger wird es wieder. Von der Adria führen viele Wasserkanäle ins Landesinnere. Das fällt richtig auf. Die Stadt Ferrara, die wir überfliegen dürfen, glänzt mit ihren historischen Bauwerken in der Altstadt.
Dann werde ich auf die Frequenz von Padova Information geschickt. Dort hat man scheinbar schon unsere Details und wir dürfen ungefragt Direktkurs auf unseren Zielflugplatz Verona Boscomantico (LIPN) nehmen. Klasse, das spart wieder einiges an Zeit ein. Währenddessen berechne ich, wann wir später in Trento abfliegen könnten und schicke dementsprechend den Flugplan an die DFS.
Kurz vor der CTR Verona rufe ich Milano Radar. Nach einem Squawk Ident werden wir gleich zum Einflug und Direktkurs auf Boscomantico freigegeben. Dabei kreuzen wir den Anflug von Verona Villafranca, dem internationalen Airport, und passieren in geringem Abstand die Stadt Verona. Ein klasse Blick auf die schöne Altstadt, die Arena di Verona und den geschwungenen Fluss Etsch.
Dann ist es höchste Zeit, sich von Milano ab- und bei Boscomantico anzumelden. Der Flugplatz liegt direkt vor uns. Bosco Radio weist uns die Piste 26 zu. Da wir dafür jedoch schon zu dicht und hoch dran sind, machen wir einen Vollkreis zum Höhe abbauen. Der Flugleiter bietet uns zwar aufgrund Windstille auch die 08 an, doch da wir bereits im Vollkreis sind, belassen wir es bei der 26. Um 09.07 Uhr, sieben Minuten nach der Öffnung, landen wir. Die beiden Abkürzungen vorher haben uns insgesamt 13 Minuten eingespart. Im hohen Gras dürfen wir parken. Der Flugplatz wirkt etwas alt und heruntergekommen, jedoch ist das Personal super nett. Wir bleiben nur ein paar Minuten und starten dann wieder.
Entlang der Brennerautobahn geht es zurück in die Alpen nach Trento. Mittlerweile ist es extrem dunstig geworden, die Sicht ist richtig schlecht.
Nach der Landung tanken wir nochmal voll. Da wir die im Flugplan angegebene Zeit nicht ganz halten können, gebe ich schnell eine Verspätungsmeldung auf der Homepage der DFS heraus. Im Restaurant besorgen wir noch Frühstück. Dann gehts auch schon wieder los. Um 10.49 Uhr heben wir auf der 36 ab und steigen kontinuierlich. Hinter uns startet eine Dynamic WT-9 aus Agathazell und fliegt die gleiche Route wie wir. Dass wir uns nicht zu nahe kommen, hören wir genau auf den Funk. Später sehen wir sie aber auch auf unserem FLARM.
Da wir über Bolzano noch nicht über der ATZ/RMZ sind, melden wir uns dort am Funk an. Von S1 dürfen wir direkt zu E1 fliegen. Zwischen Bolzano und Brixen erreichen wir die gewünschten 9500ft. Mehr ginge vermutlich sowieso nicht. Über Brixen melde ich uns bei Innsbruck Radar an. Die nette Lotsin gibt uns für die geplante Strecke über den Brenner, S und M1 frei. Das Wetter ist viel besser als vorhergesagt. So gut wie keine Quellwolken.
Ab Kufstein verlassen wir die Berge und sind wieder mit Langen Information unterwegs. Spätestens jetzt ist das Urlaubsfeeling bei uns vorbei. Das deutsche Flachland hat uns wieder. Nach nur 1:42 landen wir zurück auf unserem Heimatflugplatz Ampfing. Eine sehr schöne und intensive Tour geht zu Ende. Wir haben viele neue Eindrücke gewonnen und sind uns sicher: wir müssen bald mal wieder nach Italien fliegen!